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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers
Autoren: Julia Kröhn
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bist du stattdessen mit ihm davongeritten?«
    »Das würde ich auch gern wissen«, knurrte Bernhard.
    Die Blicke, die sich in Arvid bohrten, waren kalt wie Stahl. Mathilda glaubte sie am eigenen Leib zu fühlen. Der Schwindel ließ nach, aber etwas anderes setzte ihr jetzt zu – Schmerzen, die von den Beinen zum Rücken zogen. Mücken tanzten um ihr Gesicht – vielleicht aber auch nur Lichtfunken, in die die Welt zerfiel. Wie aus weiter Ferne hörte sie, dass Bernhard erst den Befehl erteilte, König Ludwig unverzüglich nachzureiten, und dann Arvid gefangen zu nehmen, bis die Angelegenheit geklärt war.
    »Nein …«, stieß Mathilda aus, »nein …«
    Niemand hörte sie. Johan grinste breit, als er die Zügel von Arvids Pferd einem von Bernhards Männern übergab. Arvid selbst hatte seinen Blick gesenkt.
    »Arvid …«
    Diesmal hörte er sie. »Bring dich in Sicherheit«, rief er ihr zu. »Es wird alles gut.«
    Flüchtig streifte sie Bernhards Blick. Verwirrung breitete sich darin aus, weil er sich wohl nicht erklären konnte, was sie hier tat. Doch er war zu beschäftigt, Pläne zu machen, wie sie Ludwig einholen konnten, dass er sie nicht weiter beachtete.
    Hilflos starrte Mathilda Arvid nach. Während seine Gestalt immer kleiner wurde, war Johan von seinem Pferd gesprungen und vor ihr stehen geblieben.
    »Warum hast du das getan?«, rief sie verzweifelt.
    Er starrte verächtlich auf ihren gerundeten Leib. »Es hätte meines sein sollen, nicht das des Mönchs.«
    Sie legte ihre Hände schützend auf den Bauch, als er davonging, und wankte zurück zum Baum. Die Schmerzen, die langsam den Rücken hochgekrochen waren, schlugen sich wie Fesseln um ihren Leib und nahmen ihr jede Luft. Ihr Kopf schlug gegen die Rinde, als sie fiel. Sie versuchte noch, sich abzustützen, aber ihre Hände griffen ins Leere. Kurz wurde es schwarz um sie, und als wieder ein Lichtstrahl in den Abgrund fiel, lag sie hilflos und verlassen am Boden.
    Er hatte ihr kein leeres Versprechen gegeben. Lange war Arvid tatsächlich überzeugt, dass sich alles zum Guten wenden würde. Gewiss, sein Verhalten sprach gegen ihn, und Johans falsches Zeugnis machte es nicht besser – aber er stand Bernhard dem Dänen viel näher. Er hatte bei Richards Befreiung mitgewirkt und König Harald eine wichtige Botschaft überbracht – wenn wieder Ruhe herrschte, würde er sich erklären können.
    Er ertrug es, dass man ihn zu den anderen Kriegsgefangenen brachte, ertrug es, dass diese ihn aus leeren Gesichtern musterten und auch, dass man sie fast verhungern ließ. Nur der Gedanke an Mathilda und dass er sie allein auf dem Schlachtfeld zurückgelassen hatte, peinigte ihn. Er sprach auf dem langen Weg nach Rouen manches Gebet, in dem er ihr alle Gnade und Hilfe Gottes wünschte. Für sich selbst forderte es nicht. Ihm selbst würde ein bisschen Zeit genügen, um mit Bernhard zu sprechen.
    Als sie endlich nach mehreren Tagesmärschen Rouen erreichten und er nach weiteren Tagen in einem stinkenden Loch zu Bernhard dem Dänen gebracht wurde, begriff er, dass er sich geirrt hatte. Bernhard empfing ihn nicht im Kreis seiner üblichen Berater, sondern gemeinsam mit einem Mann, den Arvid hier nicht erwartet hatte: Abt Martin von Jumièges, den er selbst davon hatte träumen hören, dass die Normandie wieder in fränkische Hand fiel, der sich König Ludwig hatte andienen wollen und der nicht zuletzt Pläne gehegt hatte, Arvid dafür zu benutzen.
    Davon war nun keine Rede mehr. Abt Martin fixierte ihn mit kaltem Blick. »Wie konntest du das nur tun, mein Sohn?«, fragte er vorwurfsvoll. »Wie konntest du nur zum Verräter werden?«
    Arvid wurde der Mund trocken. Johans Verleumdung war schon schwer zu ertragen gewesen, doch der hitzige Krieger glaubte selbst an das, was er ihm vorwarf. Der Abt aber wagte, Bernhard dreist ins Gesicht zu lügen! Und fuhr – wahrscheinlich um seine eigene Zukunft zu retten – auch dann ungerührt fort, als Arvid seinen Blick empört erwiderte!
    »Nun«, wandte er sich an Bernhard den Dänen, »Ihr habt eben gesagt, dass Ihr den Anschuldigungen nicht glauben könnt, dass Ihr nicht begreift, warum Arvid auf Ludwigs Seite steht, dass er sich bislang doch als durch und durch treu erwiesen hat. Ich kann Euch gern den Grund sagen.«
    Arvid begriff, warum man Lügen als Gift bezeichnete. Sie waren keine Waffe wie ein Schwert, das auf sein Opfer saust und vor dem man sich noch ducken kann, eher wie ein Nebel, der sich langsam und von allen Seiten
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