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Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Wenn Eduard Barrenberg eine Ahnung gehabt hätte, daß seine Familie zum Mittelpunkt öffentlichen Interesses werden würde, wäre er bestimmt nicht nach Ischia in Urlaub gefahren.
    Er hatte sich vorgenommen, einmal richtig auszuspannen, sein Rheuma im heißen Sand zu begraben, auch ein wenig Diät zu halten, weil er seinen Gürtel um ein Loch hatte vorstellen müssen, und überhaupt wollte er einmal drei Wochen nichts von der Firma hören, um ›neue Kraft für den Kampf gegen die Behörden aufzutanken‹, wie er es nannte.
    Da, in der zweiten Woche, geschah das Ereignis, ohne daß er es verhindern konnte, denn als es sich anbahnte, hatte er sich gerade in den Poseidon-Thermen massieren lassen, danach gemütlich eine deutsche Zeitung gelesen und sich auf das Abendessen gefreut. Aber schon von weitem, als er den Park seines Hotels betrat, ahnte er nichts Gutes: Auf einem mit blauem Samt bezogenen hohen Podest sah er seine Tochter Monika stehen, in einem goldfarbenen Badeanzug, mit einer Schärpe dekoriert und eine in der Sonne blitzende Messingkrone auf den Haaren. Mindestens zweihundert Menschen applaudierten, eine Filmkamera fuhr auf einer rollenden, von drei Männern gezogenen Plattform auf sie zu; es sah alles so aus, wie es Barrenberg schon einmal im Fernsehen gesehen und ein ›idiotisches Affentheater‹ genannt hatte: eine Mißwahl.
    Und schon stürzte sich der Hoteldirektor auf ihn, breitete die Arme aus und beherrschte sich sichtlich, um Barrenberg nicht an seine Brust zu drücken. Er sprach ein gutes Deutsch, aber in der Aufregung vermengte er es mit der Muttersprache.
    »Signore!« rief er. »Gratuliere! Einen doppelten Preis!« Es folgte eine Flut italienischer Sätze, die Barrenberg nicht verstand, aber dem Tonfall nach drückten sie explosive Begeisterung aus. »Das hat es noch nicht gegeben! Zwei in einer Familie! Meine Gratulation!«
    »Was geht hier vor?« fragte Barrenberg zurückhaltend.
    »Ihre Tochter …«
    »Die sehe ich! Mit Krone und Schärpe! Grinsend wie ein geplatzter Pfannkuchen. Mein Gott, nicht einmal massieren lassen kann man sich, schon geht was schief!«
    Er ließ den Hoteldirektor stehen, betrat die Liegewiese rings um den riesigen Swimmingpool und sah jetzt erst, daß unterhalb des Podiums, auf dem seine Tochter stand, auch seine Frau Maria hinter einem großen Strauß roter Rosen in die Kamera lächelte. Sie trug einen schlichten schwarzen Bikini, und um sie herum sprangen aufgeregte Männer, die ihr ein Mikrofon vor den Mund hielten, sie von allen Seiten fotografierten und fortwährend auf sie einredeten. Ein Mann mit schwarzgrauen Locken umarmte sie sogar und küßte sie auf die linke Wange, während die Kamera alles aufnahm. Maria tat sehr verschämt, lächelte tapfer und schien aufzuatmen, als jemand brüllte: »Ende! Ist im Kasten!«
    Die Kamera schwenkte weg, Monika stieg von ihrem Podest, hielt dabei ihre schwankende Messingkrone fest und erkannte ihren Vater.
    »Da ist Papa!« rief sie. Barrenberg zog das Kinn an und blickte düster, als sich die Köpfe ihm zuwandten. Monika winkte, nahm ihre Krone ab und lief mit wehenden Haaren auf ihn zu. Maria folgte ihr, den riesigen Rosenstrauß gegen die Brust drückend, in Begleitung des Mannes, der sie vor allen Leuten geküßt hatte.
    »Papa!« rief Monika wieder. Sie hielt ihm die Krone hin und zupfte an der Schärpe. »Ich bin gewählt worden! Ausgerechnet ich! Und als sie dann Mama gesehen haben …«
    »Was geht hier vor?« fragte Barrenberg wieder. Er musterte den forschen Mann mit dem Lockenhaar, dann seine Frau, und stellte fest, daß Maria einen ganz anderen Blick hatte: strahlender, fordernder, aggressiver.
    »Mein Name ist Barrenberg«, sagte er abweisend.
    »Puratzke. Holger Puratzke«, sagte der lockige Mann.
    »Das ist nicht Ihre Schuld.« Barrenberg freute sich über diese Antwort; sie wies gleich die Marschrichtung aus. »Was soll das alles?«
    »Wir sind von der ›Spectra-Film‹ und drehen gerade auf Ischia. Ich bin der Regisseur. Der Film heißt: ›Sommerwind‹. Gut, was?«
    »Und für Ihren Wind brauchen Sie meine Frau und meine Tochter?«
    »Eduard«, sagte Maria; der Glanz in ihren Augen verlor sich. »Wir sind überrumpelt worden. Ich liege am Pool und sehe den Dreharbeiten zu, und Monika geht gerade zum Schwimmbecken, da kommt Herr Puratzke angelaufen und ruft …«
    »Eine Offenbarung!« Puratzke klatschte in die Hände. »Allerdings habe ich das gerufen! Ein Wunder! So etwas suche ich schon lange!
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