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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers
Autoren: Julia Kröhn
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unterwürfig wie ein solcher, sondern stets spöttisch. Meine Freiheit könnt ihr mir nehmen, schien er mit jedem Wort, mit jeder Geste zu sagen, aber meine Klugheit nicht.
    »Alanus ruft alle Bretonen zu den Waffen, um ihn bei seinem Kampf zu unterstützen – die Grafen, Vizegrafen und die Machtierns, die Gemeindevorsteher. Es heißt, dass er an dem Tag, da er Nantes endgültig zurückerobert hat, eigenhändig den Weg zur Kathedrale mit Schwerthieben freigeschlagen hat. Im Turm hat er sich sein Quartier errichtet.«
    Bruder Daniel sprach mit näselnder Stimme, gleich so, als hocke etwas Zähes in seiner Kehle, das ihn schwer atmen und nie laut werden ließ. Er stand stets mit geducktem Kopf da, wirkte aber nicht schwach und ängstlich, sondern bösartig.
    Hawisa wandte sich ab, blickte auf das Meer und die hohen Felsen. Hier über die Klippen zu fallen hieß zu sterben. Der Stein war so glatt, als wäre er von Menschenhand gehauen. Möwen hatten die Klippen kreischend in Besitz genommen und trotzten dem Wind.
    So ist die Natur, dachte Hawisa. Sie baut in unwegsamer Gegend unverwüstliche Burgen aus Stein, die noch in Hunderten von Jahren bestehen werden, während unser Wall schon morgen niedergerissen und abgebrannt werden könnte.
    »Wie sollen wir ob all dieser Nachrichten noch Hoffnung haben?«, fragte Dökkur.
    Hawisa antwortete nicht, sondern blickte Hasculf entgegen, jenem Krieger, der zuvor die Nachrichten überbracht hatte und jetzt auf sie zukam. Sein Gesicht war nicht finster wie das von Dökkur und bösartig wie das von Bruder Daniel, sondern vollkommen ausdruckslos.
    »Ich bringe nicht nur Neuigkeiten von Alanus Schiefbart«, erklärte Hasculf, »sondern auch Neuigkeiten von … ihr.« Er hielt einen Moment feierlich inne. »Wir haben Mathilda gefunden.«
    Wie immer zeigte sich Hawisa beherrscht. Sie zuckte nicht freudig zusammen, triumphierte nicht und brach auch nicht in Tränen aus, die von jahrzehntelangem Leid kündeten. Lediglich ein stilles Lächeln erschien auf ihren Lippen, als Hasculf nun von dem Kloster erzählte, in dem Mathilda lebte.
    »Es ist dem heiligen Ambrosius geweiht«, schloss er, »und es liegt einsam inmitten von Wäldern.«
    »Seht ihr!« Hawisa konnte ihre Begeisterung nicht länger zurückhalten. Sie wandte sich an Dökkur und Bruder Daniel. Der eine hatte sein Augenlicht verloren, der andere seine Freiheit, aber sie, sie würde nicht verlieren. »Es wird sich alles zum Guten wenden, jetzt, da wir Mathilda gefunden haben. Ihre ruhigen Tage im Kloster sind gezählt.«

I.
    K LOSTER S AINT -A MBROSE
    Mathilda sog tief den salzigen Geruch des rauschenden Meeres und zugleich den durchdringend süßen der bunten Blumen in sich ein. Wie ist es möglich, dachte sie, dass diese an einem Ort wachsen, an dem der Boden sandig und felsig ist und stets ein rauer Wind weht? Kann es tatsächlich einen Ort geben, der salzig und süß zugleich ist, schroff und zart, karg und farbenprächtig?
    Das Glitzern des Meeres blendete sie, sodass sie die Augen schließen musste, als sie über die Blumenwiese direkt dem blonden Mann mit der gegerbten Haut entgegenlief, der dort groß und stolz am Ende der Klippe stand. Er wartete auf sie, bereit, sie aufzufangen, in die Luft zu werfen und dann, wenn sie vor Lachen kreischte, an seinen gestählten Körper zu pressen. Seine Hände würden über ihr Gesicht streicheln, Hände, die grob sein konnten, aber auch zärtlich und liebevoll.
    Doch ehe Mathilda den Mann erreichte, spürte sie plötzlich eine Veränderung. Sie konnte den Geruch des Meeres und den der Blumen nicht mehr wahrnehmen. Erschrocken schlug sie die Augen auf, und das Lächeln schwand von ihren Lippen. Ein heiserer Schrei entfuhr ihrem Mund, denn sie erblickte anstelle des blonden Mannes das Gesicht einer Fremden. Sie schrie erneut auf, als Hände nach ihr fassten, ihre Schultern umklammerten, sie rüttelten.
    »Mathilda! Was ist mit dir? Hast du schlecht geträumt?«
    Nein, dachte sie, ich habe nicht schlecht geträumt, nur zu kurz. Im entscheidenden Augenblick wurde ich geweckt … ich konnte mich nicht mehr in die Arme des blonden Mannes retten …
    Dann ging ihr auf, dass das Gesicht, in das sie starrte, nicht das einer Fremden war, sondern das von Schwester Maura, einer Nonne, wie sie eine war. Sie schlief im Dormitorium auf dem Strohsack neben ihr und verbrachte viele Stunden des Tages an ihrer Seite. Maura war eine Vertraute, deren Namen sie kannte. Den des blonden Mannes, gleichwohl
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