Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers
Autoren: Julia Kröhn
Vom Netzwerk:
goldener Farbe auf Purpurpergament schreiben lassen. Saint-Ambrose war zu arm, hier schrieben die Nonnen nicht mit Gold auf Purpur, aber Mathilda hatte sich oft gefragt, wie dergleichen wohl aussah.
    Sie ließ ihren Blick durchs Skriptorium kreisen und versuchte, die Fragen zu verscheuchen, die ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen wollten, aber es gelang ihr nicht.
    Wer bin ich? Woher stamme ich? Wer sind meine Eltern?
    Die Schwestern, die im Skriptorium ihren Dienst versahen, waren nicht nur ihres Talentes wegen dafür auserwählt worden, sondern auch wegen ihrer hohen Abstammung. Je wohlhabender die Eltern waren, desto größeren Wert legten sie darauf, dass ihre Töchter nicht zu den niederen, sondern zu den angenehmeren Diensten im Kloster beordert wurden. Sie aber, Mathilda, wusste nicht einmal, wer ihre Eltern waren. Sie mussten vornehm sein, denn alle Ordensschwestern in Saint-Ambrose entstammten dem Adel, aber wie sie hießen und woher sie kamen, hatte sie nie erfahren. Früher hatte sie manchmal danach gefragt, aber keine brauchbare Antwort erhalten, man hatte ihr lediglich erklärt, dass, wer ins Kloster gehe, die alte Welt und sämtliche Bindungen hinter sich lasse und dass sie, als sie als kleines Mädchen ins Kloster kam, kein Wort gesprochen, sondern es erst hier erlernt habe.
    Vielleicht war das eine Lüge, ging es ihr jetzt durch den Kopf, vielleicht habe ich sehr wohl gesprochen – in jener fremden Sprache aus dem Traum …
    »Mathilda, wo hast du nur deine Gedanken?«
    Mit schlechtem Gewissen blickte sie hoch. Die Magistra stand vor ihr, der die Erziehung und Ausbildung der jungen Mädchen oblag. Von ihr lernten sie Psalmen zu memorieren, erhielten Sprach- und Grammatikunterricht und wurden im Lesen und Schreiben unterwiesen.
    »Es tut mir leid«, sagte sie hastig, »aber nach den Ereignissen der letzten Tage …«
    Sie schämte sich sogleich, sich hinter diesem Vorwand zu verstecken, auch wenn es seine Wirkung nicht verfehlte. Die Magistra nickte hastig, suchte ihre eigene Aufgewühltheit zu verbergen und trat weg. Es stimmte, in den letzten Tagen war im Kloster viel Schreckliches geschehen, Mathilda erschauderte immer noch, wenn sie nur daran dachte. Nur an diesem Tag waren es nicht diese Ereignisse, sondern der Traum, der sie verwirrte. Allerdings, ging es ihr plötzlich durch den Sinn – vielleicht hatten die Träume sie nur deshalb heimzusuchen begonnen, weil ihr Gemüt so erschüttert war. Sie seufzte und entschied, wie sie die letzten Tage, vor allem aber den Traum, hinter sich lassen konnte: Sie musste mit der Äbtissin sprechen.
    Doch schon als Mathilda nach dem kargen Mittagessen auf sie zutrat und um ein paar Worte bat, ging ihr auf, dass es ein Fehler sein könnte. Nach allem, was passiert war, war die Äbtissin nicht mehr sie selbst. Als einige Wochen zuvor jener verletzte junge Mann aufgetaucht und im Kloster gesund gepflegt worden war, war ihr gewohnter Gleichmut erschüttert worden, und als wenig später Krieger das Kloster überfallen hatten, hatte sie endgültig die Fassung verloren, sich die Schuld an allem gegeben und ihren Rücktritt verkündet. Die Männer hatten das Kloster nicht erstürmen können, waren vielmehr selbst durch Feindeshand gestorben – oder durch göttliches Eingreifen, Mathilda wusste es nicht so genau –, und die Äbtissin hatte ihr Amt behalten. Der geheimnisvolle Mann jedoch, Arvid mit Namen, der dies alles ausgelöst hatte, war immer noch im Kloster, und die Äbtissin wirkte immer noch verwirrt.
    Nur zögernd stellte Mathilda ihr die Frage, die auf ihrer Seele lastete. »Denkt Ihr«, setzte sie unwillkürlich an, »denkt Ihr, ehrwürdige Mutter, mein Wille ist fest genug?«
    Die Äbtissin sah an ihr vorbei. »Was meinst du?«
    »Nun, meine Profess steht bald bevor!«
    Nicht jede Nonne legte ihr Gelübde, keusch und arm zu bleiben, öffentlich und die Hand auf der Benediktregel ruhend ab. Viele lebten einfach in der Gemeinschaft, fügten sich den Geboten des Klosters und trugen die schwarze Kleidung als Zeichen von Enthaltsamkeit und Demut so lange, bis alle Welt sie als Nonne betrachtete. Mathilda aber hatte sich immer eine feierliche Profess gewünscht und die letzten Monate darauf hingelebt. Sie kannte kein anderes Leben als dieses, also war es das schönste, das sie sich vorstellen konnte, und sich laut und vor der Gemeinschaft dazu zu bekennen, würde ein Fest sein.
    Die Äbtissin blickte sie jetzt verständnislos an. »Deine Profess …«
    »Es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher