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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers
Autoren: Julia Kröhn
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bestimmen konnte.
    Was trieb Arvid dort?
    Johan ließ seine Kriegsbeute fallen und schwang sich auf sein Pferd, doch ehe er dem Tier die Sporen gab, hörte er aufgeregte Rufe.
    »König Ludwig!«, tönte es von allen Seiten. »König Ludwig ist entkommen!«
    In der Ferne wurde Arvids Gestalt immer kleiner, auch der Franke, an dessen Seite er ritt, war kaum noch zu sehen. Vielleicht war er gar kein Krieger, vielleicht …
    Ihm fiel ein, was er auf dem Bauernhof gehört hatte, ehe er Arvid zu Hilfe gekommen war: dass dieser nicht durch und durch Nordmann, sondern der Sohn einer Fränkin war, offenbar einer einflussreichen …
    »Mitkommen!«, schrie er einen Krieger an. Verwunderte Blicke trafen ihn. »Der flüchtige König – er ist dort! Und niemand anderer als Arvid bringt ihn in Sicherheit.«
    Johan lächelte breit. Endlich würde er es Arvid heimzahlen. Er würde in einer Welt, wo Heidnisches und Christliches nicht klar getrennt waren, wo ein Graf zu viel betete, eine Frau einen Gottesmann liebte und ein Mönch ein Schlachtross ritt, dafür sorgen, dass eine schlichte Wahrheit Bestand hatte. Wer Unrecht tat, musste bestraft werden. Wer ein Verräter war, musste zur Rechenschaft gezogen werden.
    Die Wohltat, sitzen zu können, überwog kurz Mathildas Angst um Arvid. Sie lehnte sich an die raue Rinde der Eiche, schloss die Augen, sog den harzigen Geruch ein, vergaß die Toten. Sie war in Sicherheit, ihr Kind auch. Dieses lag erst schwer wie ein Stein in ihrem Leib, doch als sie darüber strich, spürte sie ein sachtes Flattern. Sie lächelte, dem Kind ging es gut, ihr selbst ging es gut, sie hatte Arvid gefunden, Arvid, der gleich wiederkommen würde …
    Als sie die Augen aufschlug, sah sie, dass Arvid tatsächlich zurückkehrte, allerdings an der Seite eines Mannes, mit dem sie nicht gerechnet hatte – Johan. Nun gut, es war nicht verwunderlich, dass er wie jeder andere Krieger der Normandie hier gekämpft hatte, umso mehr aber, dass er die Zügel von Arvids Pferd hielt und ihn obendrein mit einem Schwert bedrohte. Arvid musste sich gewehrt haben, denn sie sah eine Blutspur in seinem Gesicht. Sein Blick war wie tot. Mathilda erhob sich. Nicht länger hing der harzige Geruch nach der Eiche in der Luft, sondern der nach Angst. Ihrer Angst.
    »Wenn du deinem Land einen Gefallen tun willst«, knurrte Arvid, »dann solltest du Ludwig nachjagen, anstatt mich festzunehmen. Du warst so eifrig auf Letzteres aus, dass du ihn hast entkommen lassen, du Narr!«
    »Sag du mir nichts über mein Land, Verräter!«
    »Ich bin kein Verräter!«
    »Und wer soll dir das glauben?«
    Das höhnische Gelächter, das Johan anstimmte, ging Mathilda durch Mark und Bein. Erst jetzt gewahrte sie, dass die zwei Männer nicht nur ihre Aufmerksamkeit erregt hatten, sondern auch die einer Truppe Krieger, die nun auf sie zugeritten kam. Bernhard der Däne führte sie an.
    Gottlob!, dachte sie.
    Bernhard war ein besonnener Mann, er würde aufdecken, was hier vor sich ging, Johan verbieten, Arvid mit dem Schwert zu bedrohen, er würde …
    »Wie konnte König Ludwig fliehen?«, hörte sie ihn da plötzlich schreien, so donnernd, wie sie ihn nie hatte schreien hören.
    Arvid öffnete den Mund, doch ehe er auch nur ein Wort hervorbrachte, rief Johan nicht minder laut und empört: »Er konnte fliehen, weil wir einen Verräter in unserer Mitte haben. Dieser Mann hier hat Ludwig befreit. Er wollte mit ihm davonreiten, und es wäre ihm um ein Haar gelungen, wenn ich ihn nicht aufgehalten hätte. Leider konnte ich des Königs selbst nicht habhaft werden – und auch des anderen Verräters nicht, der mit den beiden unter einer Decke steckt.«
    Mathilda verließ den Schatten des Baumes. Ihr schwindelte, aber sie achtete nicht darauf. Als Arvids Blick sie traf, war der nicht länger wie tot. Halt dich da raus!, schien er ihr zu sagen. Sieh zu, dass du dich rettest!
    Mathilda starrte ihn fassungslos an, hörte schließlich Bernhard den Dänen jene Frage stellen, die ihr selbst auf den Lippen lag: »Was, in Gottes Namen, hast du nur getan?«
    »Ich habe Ludwig nicht zur Flucht verholfen, ich wollte doch nur …«
    Er kam nicht weiter, denn Johan fiel ihm ins Wort: »Es gibt mehr als nur einen Zeugen, der gesehen hat, wie sie gemeinsam fortritten. Und ich selbst habe gehört, wie Arvid Ludwig seine Hilfe zusagte.«
    »Das habe ich doch nur getan, um …«
    »Stündest du nicht auf seiner Seite, du hättest um Hilfe gerufen, sobald du ihn erkannt hast. Warum
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