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Kind der Nacht

Kind der Nacht

Titel: Kind der Nacht
Autoren: Nancy Kilpatrick
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lediglich um eine Einbuchtung zwischen zwei Gebäuden, die vor einer Mauer endete. Sie war in eine Sackgasse geraten.
    Carol wollte zurück, raus aus der Falle, aber er kam bereits auf sie zu. Verzweifelt sah sie sich um. Die Mauern waren zu hoch, um sie zu überklettern, die Fenster in Straßenhöhe entweder mit Brettern zugenagelt oder vergittert. Es gab keinen Ausweg. An einem der Gebäude fiel ihr eine Feuerleiter ins Auge, aber ihr war klar, dass sie nicht weit genug herabreichte. Carol versuchte es trotzdem. Sie sprang hoch und verfehlte die unterste Sprosse um gute dreißig Zentimeter. Diesmal würde niemand auftauchen, um sie zu retten. Sie ließ ihren Blick suchend über den Boden schweifen und hielt Ausschau nach etwas, das sie als Waffe benutzen konnte.
    Ein paar kleinere Steine lagen in Reichweite. Sie hob sie auf, zielte, holte aus und warf sie mit gestrecktem Arm nach ihm, als halte sie einen Baseball in der Hand. Er wich aus und fing den letzten Stein einfach in der Luft auf.
    Doch nun war er schon zu nahe. Vorsichtig schob sie sich zurück und presste sich gegen die verrußte Mauer. Bebend rang sie um Atem. Sein Pulsschlag dagegen schien noch nicht einmal beschleunigt.
    Ein Schritt zur Seite brachte sie nur in eine Ecke. Er änderte die Richtung, folgte ihr. Sein Körper verdeckte das letzte bisschen Licht, das noch hierher drang. Es gab nun keinen Fluchtweg mehr. Er kam auf sie zu, das Gesicht hager, angespannt, hungrig.
    Carol wusste, dass sie es nicht schaffen würde. Dennoch versuchte sie sich an ihm vorbeizuzwängen. Ohne im Vorwärtsschreiten innezuhalten, stieß er sie mit dem Rücken gegen die Wand.
    Ihr Instinkt übernahm die Führung. Sie ging auf ihn los, bewegte sich so, wie sie es an der Uni in einem WenDo-Kurs gelernt hatte. Sie trat nach seinem Unterleib, aber mit seiner Reaktion hatte sie nicht gerechnet. Mit dem Bein wehrte er den Tritt ab und brachte sie aus  dem Gleichgewicht. Sie machte eine Faust, drehte sie blitzschnell,  sodass die Knöchel nach unten wiesen, und stieß nach seinem Solar plexus. Er zuckte noch nicht einmal mit der Wimper. Ehe sie wusste,  wie ihr geschah, hatte er ihre Handgelenke gepackt und drehte sie ihr  auf den Rücken. Seine Hände waren eiskalt. Sein Körper presste sich  gegen den ihren, drängte sie in die Ecke. Sie konnte sich nicht mehr  rühren.
    »So sieht man sich also wieder!« Seine Stimme klang sanft und  selbstsicher. Obwohl sie ihr Bestes gegeben hatte, schien er noch  nicht einmal außer Atem.
    »Sie wollten mir Ihren Namen nicht verraten, aber Sie heißen  Carol, nicht wahr? Carol Robins. So wie das Vögelchen: robin - das  Rotkehlchen.«
    »Woher wissen Sie das?« In ihrer Stimmg lag ein Beben, und sie  wusste, dass ihm dies nicht entging.
    »Von der Polizei. Ich nehme einmal an, es stimmt, es sei denn, Sie  wären eine Lügnerin.«
    »Warum sollten die Ihnen das sagen?« Carol versuchte zwar, das  Unausweichliche hinauszuzögern, aber ihre Neugier war echt.
    »Ich habe höflich nachgefragt. Sagen wir einfach, ich habe so meine  Beziehungen!«
    Er beugte sich über sie und flüsterte ihr ins Ohr: »Dein Blut sollte  längst mir gehören, Carol.« Mit der einen Hand hielt er ihre Handge lenke fest, mit der anderen strich er ihr das Haar zurück. Sie riss den  Kopf weg, zumindest so weit sie konnte, und funkelte ihn wütend an.
    »Hör auf mit deinen dämlichen Spielchen.« Erstaunt sah er sie an.  »Ich weiß, wozu du fähig bist. Wenn du mich schon umbringen musst,  dann bring es endlich hinter dich!«
    Anscheinend nahm er hier einen Mut wahr, den sie überhaupt nicht em pfand, denn er zögerte. »Eigentlich bin ich es gewohnt, dass meine  Opfer um ihr Leben betteln. Solltest du mit dem Gedanken spielen, mi ch anzuflehen, dann wäre jetzt der richtige Zeitpunkt dazu!«
    »Ich habe nicht vor, dich um irgendetwas zu bitten. Es würde ja doch nichts bringen!«
    »Sehr scharfsinnig!« Damit packte er sie am Nacken. Obwohl ihr Haar dicht und voll war, spürte sie die unglaubliche Kälte, die von seiner Hand ausging, und ihr lief ein Schauder über den Rücken.

    Als er ihr in die Augen blickte, war ihr, als nähme sie so etwas wie widerwilligen Respekt wahr. »Du hast etwas an dir ...«, sagte er langsam, bedächtig. »Du hast Mut!«
    Er musterte sie, und sie hörte geradezu, wie er im Geist die verschiedenen Möglichkeiten gegeneinander abwog. »Es ist schon lange her, dass ich eine Frau gehabt
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