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Man Down

Man Down

Titel: Man Down
Autoren: André Pilz
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    Ich war fett im Minus damals. Ich bekam ständig Briefe von meiner Bank, manchmal sogar zwei, drei in der Woche. Ich strich meinen Namen durch und schrieb „unbekannt verzogen“ auf die Kuverts, dann warf ich sie in den nächsten Briefkasten. Die Bankmenschen riefen mich an, aber ich sagte, ich wäre nicht ich. Ich wäre nicht da. Aber ich würde Kai ausrichten, er möge während der Schalterzeiten vorbeischauen. Die Bankmenschen drohten mir, die Karte zu sperren, dabei spuckte der Bankomat eh schon lange nichts mehr aus. Ein paar Monate zuvor hatte sich die Bank mit ihren USA -Geschäften verspekuliert und der Staat war mit ein paar Millionen in die Bresche gesprungen. Die verantwortlichen Bosse waren mit einer fetten Abfindung und einer stattlichen Rente abgeschoben worden.
    30.000 Euro monatlich für den Oberindianer.
    30.000 verfickte Euros.
    Jeden Monat.
    Bis er abkratzt.
    Damit er die drei Benz und seine Putzfrau behalten kann und weiterhin die brasilianische Transe in seinem Edelpuff arschficken darf.
    Nein, ich wollte kein Geld geschenkt. Von niemandem. Ich hätte auch auf die monatlich knapp 300 Euro vom Staat geschissen, wenn Shane mich nicht zum Arbeitsamt geprügelt hätte. Alles, was ich wollte, war das Geld, das mir zustand, das Geld, für das ich geschwitzt hatte, sechs Tage in der Woche mit reichlich Überstunden. Meine Leasingfirma schuldete mir den Lohn für ein halbes Jahr, aber da der Chef längst über alle Berge war, wollte ich das Geld von der Auftragsfirma, die ihrerseits die Leasingfirma nicht bezahlt hatte, angeblich. Und bis diese scheiß Firma bezahlte, wollte ich das verfluchte Geld von meiner Bank, denn sie hatte auch von meiner Kohle gelebt, als ich genügend davon hatte. Aber der Bankomat spuckte nichts mehr aus und die Demütigung, mir noch einmal am Bankschalter vor allen Leuten sagen zu lassen, ohne Sicherheiten wäre es nicht möglich, mir weiterhin Geld zu geben, wollte ich kein zweites Mal riskieren.
    Shane gewährte mir Kredit, damit ich Miete, Strom und Wasser bezahlen konnte, sonst wäre ich mit den läppischen 278,15 Euro monatlich längst auf der Straße gestanden. Natürlich hatte Shane selber kein Geld, weil er alles verprasste, sobald er etwas verdient hatte, aber er pumpte sich das Geld von seinen Brüdern, Öcal und Ugi.
    Es war bei Gott kein gutes Gefühl, Leuten mit so zweifelhaftem Ruf, wie ihn die beiden in Giesing besaßen, Geld zu schulden, aber die Konditionen waren fair: Ich hatte sechs Monate Zeit, das Geld zurückzuzahlen – zinsfrei.
    „Und wenn ich die Kohle nicht pünktlich zusammenkriege?“
    „Dann“, sagte Shane und betrachtete ehrfürchtig den Joint in seiner Hand, „ficken sie dich in den Arsch. Und deine Mutter muss dabei zuschauen.“
    Sechs Monate hatten damals wie eine kleine Unendlichkeit geschienen und alleine mit dem Geld von der Firma wäre ich ja sofort wieder im Plus gewesen. Außerdem war ich fest überzeugt, bald wieder arbeiten zu können. Aber je näher der Termin rückte, desto mehr belastete mich das Ganze. Mein Gesundheitszustand verbesserte sich nicht und die Firma vertröstete mich von einer Woche auf die nächste, ich rief ständig im Büro an, aber die beiden Sekretärinnen, zwei solariumgebräunte Schnattergänse, wimmelten mich ab und weigerten sich, Meyers Handynummer rauszurücken. Ich spazierte schließlich ohne Voranmeldung zu Meyer ins Büro (ich hatte Glück, denn Meyer war dort selten anzutreffen) und er versprach mir, dass das Geld spätestens am Monatsersten auf meinem Konto sein würde.
    „Bei meiner Ehre“, sagte er und streckte mir die Hand entgegen.
    „Fick deine Ehre, verkauf deine scheiß Golduhr und gib mir das Geld“, dachte ich mir und schlug trotzdem ein. Meyer war mit allem, was in München Rang und Namen hatte, per du, also glaubte und vertraute ich ihm. Das änderte aber nichts daran, dass ich weiterhin jeden Morgen aufwachte und an die Kohle dachte. Ich dachte den ganzen verfluchten Tag an das Geld, das mir Meyer schuldete und ich meinerseits Shanes Brüdern. Und in den Nächten, da träumte ich zu fallen. Von einem Dach. Von einem Felsen. Aus einem Flugzeug. Ich stürzte jede Nacht in die Tiefe.
    „Kauf dir nen Fallschirm“, sagte Shane.
    „Hätte ich ja längst getan“, sagte ich. „Wenn ich das verdammte Geld nur schon hätte.“
    Gestern war ich auf dem Arbeitsamt. Ich kriege Geld fürs Nichtstun, dabei würde ich nichts lieber tun, als zu arbeiten. Ich will wieder auf ein Dach. Der
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