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Kind der Nacht

Kind der Nacht

Titel: Kind der Nacht
Autoren: Nancy Kilpatrick
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freiwillig tue.«
    Er hielt ihren Kopf weiter in der unbequemen Lage, sein Gesicht direkt über dem ihren. Er wirkte angespannt und schien sich nur mühsam zu beherrschen. Ihr war klar, dass sie nur Millimeter von einer Katastrophe trennten. Nach einer Ewigkeit sagte er: »Na gut, lass deinen Vorschlag hören!«
    Carol berührte abermals seine Wange. Seine Haut war schon beinahe zu glatt. Unter anderen, weniger gefährlichen Umständen hätte sie seinen Teint und sein Profil vielleicht anziehend gefunden. Sie strich ihm mit der Hand durch sein modisch frisiertes Haar. Er wirkte verwirrt.
    »Ich könnte mich dir hingeben«, sagte sie mit einem verführerischen Unterton in der Stimme. »Ich könnte warm und feucht und weit offen für dich sein. Würde dir das gefallen?«
    Er hielt ihre Hand fest. Seine Miene war wieder ernst, hart. »Und dann?«
    »Dann lässt du mich gehen.«
    »Ah, jetzt fängst du also doch an zu betteln!«
    »Ich bettle nicht.« Ihre Stimme klang fest, ein wenig verärgert. Sie konnte ihre Angst gut verbergen. »Ich biete dir einen Pakt an! Wir wissen doch beide, dass du auf Blut versessen bist. Aber Blut kannst du von überall her bekommen, oder etwa nicht? Ich biete dir etwas weit Besseres an. Mein Blut ist doch nichts Besonderes, oder?«
    »Niemand hat besonderes Blut, dennoch ist es von immenser Bedeutung.«
    »Soll das heißen, dass du Schwierigkeiten hast, an Blut zu gelangen?«
    »Keineswegs.«
    »Nun, dann ist es ja kein großer Verlust, wenn du auf meins verzichtest.«
    Er zögerte, und Carol wusste, sie hatte einen, wenn auch bescheidenen, Pluspunkt gelandet. »Kannst du mir etwas verraten? Wenn du sagst, du hättest Beziehungen zur Polizei, was genau heißt das?«
    Er ließ ihr Haar wieder los und wandte den Blick nach vorn. »Es heißt genau das, was ich sage.«
    Sie beschloss, auf ihn einzugehen, um Zeit zu gewinnen. »Du bist der hiesige Hämophile, habe ich Recht? Jeder kennt und fürchtet dich, und du bist wohlhabend genug, dass sie dir deinen Willen lassen, was es auch sein mag, nur damit du sie nicht behelligst, oder?«
    »Selbstverständlich. Normalerweise bediene ich mich an Durchreisenden. Der Mann am Fluss hatte Pech, er hätte sich nicht einmischen sollen. Sein Tod war ein Unfall, plötzlicher Herzstillstand. Die Autopsie belegt, dass die einzige äußere Verletzung an seinem Körper eine kleine Wunde am Hals war. Die Polizei geht davon aus, dass er sie sich bei dem Sturz zuzog. Er hat ein bisschen Blut verloren, als er starb, aber nicht viel.« Sein Blick schien sie aufzufordern, ihm zu widersprechen. »Außerdem ist die einzige Zeugin, wie es aussieht, verschwunden.«
    Sie glaubte ihm kein Wort von dem, was er über den alten Mann sagte, dennoch überlief sie ein Schauder. Kein Hahn würde nach ihr krähen, so viel war ihr nun klar. Sie befand sich voll und ganz in seiner Gewalt, und sie musste all ihre Willenskraft aufbieten, um ihre Angst vor ihm zu verbergen.
    Sie hatten die Hafenstraße hinter sich gelassen, die Pont de Cubzac  überquert und befanden sich nun auf der Autobahn. Auf einem Schild stand: Soulac-sur-Mer 90 Kilometer. Außer ihnen war kaum jemand unterwegs.
    »Mein Angebot lautet folgendermaßen«, sagte sie schließlich. »Wir verbringen die Nacht gemeinsam, nur du und ich, bei mir im Hotel.«
    Er lachte höhnisch. »Du hast noch einen Versuch!«
    »Dann eben bei dir.« Sie versuchte es mit Humor. »Oder schläfst du in einer Gruft?«
    Er sah sie verächtlich an. »Dein Vorschlag - wie soll er lauten?«
    »Gut, wir gehen, wohin du willst. Ich stehe dir so lange zur Verfügung, wie es dir in den Kram passt, und tue alles, was du von mir verlangst, und zwar freiwillig, aus eigenem Antrieb. Morgen früh lässt du mich wieder gehen, ohne mir auch nur ein Haar zu krümmen oder von meinem Blut zu trinken. Dann werde ich Bordeaux auf der Stelle verlassen und niemandem auch nur ein Sterbenswort davon sagen, und du wirst nie wieder etwas von mir hören. Das ist ein Versprechen!«
    Er neigte den Kopf und blickte sie an, als habe sie ihm soeben erzählt, am Straßenrand stünden ein paar Cyborgs, die per Anhalter unterwegs seien. Endlich erwiderte er: »Oh, einen kleinen Schluck könnte ich mir schon genehmigen. Das ist auch nicht viel anders als Blutspenden. Du wirst dabei nicht angesteckt, es sei denn, ich lasse dich von mir trinken. Und was das angeht, brauchst du dir keine Hoffnungen zu machen. Bei uns wird nicht
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