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Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Titel: Kim Novak badete nie im See von Genezareth
Autoren: Håkan Nesser
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schwerer Sommer, mein Junge. Am besten stellen wir uns gleich darauf ein.
    Das trostlose Haar meiner Mutter und ihre sterbenden Augen im Krankenhaus. Was ist ein Leben?
    Das Kachelmuster der Toilette. Die winzigen Narben an Edmunds Füßen, die der einzige Beweis dafür waren, dass er einmal mit zwölf Zehen ausgerüstet gewesen war.
    Ewa Kaludis. Ihre warmen, starken Hände auf meinen Schultern und ihr nackter Körper.
    Das Einzige, was mir noch übrig geblieben war.
    Das Einzige, was ich behalten darf, dachte ich, ist Ewas schöner Körper.
    Es hätte schlimmer kommen können.
     
    ***
     
    Als ich aus der Stadt war, fuhr ich die Mossbanegatan nach Süden. Karlessons Kiosk lag dort, wo er immer gewesen war, aber es gab keinen Kaugummiautomaten mehr. Dafür war ein Imbiss angebaut worden, das Ganze hieß jetzt Gullans Grill, und ich machte mir nicht erst die Mühe, anzuhalten.
    Der Klevabuckel hatte immer noch die gleiche Steigung wie früher, auch wenn davon im Auto weniger zu spüren war. Ich konnte immer noch genau die Stelle zeigen, an der Edmund gelegen und sich übergeben hatte nach seinem verwegenen Angriff auf den Berg, und der Weg durch den Wald nach
    Äsbro sah in jeder Biegung immer noch aus wie früher. Dort im Ort hatte man eine neue Tankstelle gebaut, aber ansonsten wirkte alles so, wie ich es in Erinnerung hatte. Ich hielt vor Laxmans an. Ging hinein und kaufte eine Selter und eine Abendzeitung. Die hoch gewachsene Frau an der Kasse war um die fünfzig, sie hatte Schweißflecken unter den Armen und es gab nichts, was der Annahme entgegensprach, sie könnte vielleicht Britt Laxman heißen.
    Hinter dem Sjölyckeväg waren ein paar neue Ferienhäuser gebaut worden, aber als ich erneut in den Wald kam, erkannte ich wieder jede Biegung und Steigung des sich ringelnden Kiesbands. Levis Haus sah aus wie zerbombt, aber das hatte es damals schon getan. Ich erinnerte mich an meine Litanei, als ich dort vorbeifuhr. Krebs-Treblinka-Liebe-Bumsen-Tod. Mir fiel Edmunds leiblicher Vater ein, der auf der Bettkante gesessen und über sich selbst und seinen misshandelten Jungen geweint hatte, und dann überwältigten mich die Erinnerungen derart, dass ich erst wieder auf dem Parkplatz zu mir kam.
    Der schien geschrumpft zu sein. Unkraut und Schilf hatten die Kanten aufgefressen, vielleicht der Lauf der Natur, aber es sah eher so aus, als würde er nicht mehr benutzt werden. Ich stieg aus dem Wagen und betrachtete die beiden Pfadanfänge: der linke zu den Lundins war fast zugewachsen, der rechte nach Genezareth sah niedergetreten und benutzt aus. Nach einer ganzen Weile Zögern ging ich zum See.
    Genezareth lag da, wie es immer dagelegen hatte. Die gleiche kleine, elende Hütte, aber neu gestrichen und mit einem neuen Dach. Ein kleiner Schuppen auf dem Rasen und weiße Gartenmöbel statt unserer alten klapprigen braunen. Ein Gartengrill und eine Fernsehantenne.
    Die Neunziger gegen die Sechziger, dachte ich. Neunundvierzig statt vierzehn.
    Die Tür und ein Küchenfenster standen offen, woran ich erkannte, dass Leute da waren. Ich hatte keine Lust, erklären zu müssen, was ich hier wollte, deshalb blieb ich am Ende des Pfads stehen. Betrachtete alles durch fünfunddreißig Jahre dicke Brillengläser, Plumpsklo und Werkzeugschuppen waren noch da, und - Wunder über Wunder - auch der Pontonsteg. Ein uralter Stolz stieg in mir auf, und bevor mir die Tränen in die Augen stiegen, drehte ich mich auf dem Absatz um und lief den Pfad zurück zum Parkplatz.
    Ich ging zum Auto und holte den Spaten aus dem Kofferraum. Suchte meinen Weg zwischen den Bäumen und fand die kleine, weiche, mit Moos ausgekleidete Mulde ohne Problem.
    Ich stieß den Spaten in die Erde und drehte ein paar Soden um. Schon beim dritten Spatenstich stieß ich auf den Schaft. Ich schob das Spatenblatt darunter, und schon stand ich mit dem Vorschlaghammer in der Hand da.
    Er war etwas kleiner, als ich ihn in Erinnerung hatte, aber gleichzeitig auch weniger angegriffen vom Zahn der Zeit als alles andere, was ich an diesem Tag gesehen hatte. Genau so hatte ich ihn in Erinnerung. Vorsichtig bürstete ich Schaft und Kopf sauber. Als die Erde und alles Wurzelwerk weg waren, deutete nichts mehr daraufhin, dass er nicht die ganze Zeit, die inzwischen verflossen war, zwischen dem anderen Werkzeug im Schuppen gelegen hatte. Oder dass er überhaupt erst vor ein paar Jahren hergestellt worden sein könnte.
    Das heißt, nichts außer dem braunschwarzen, eingetrockneten
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