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Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Titel: Kim Novak badete nie im See von Genezareth
Autoren: Håkan Nesser
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gewissen Nacht beobachtet hatten, wie sie mit Henry geschlafen hatte. Wenn man es genau betrachtete, war ich zu der Zeit ja nur ein unreifer Vierzehnjähriger gewesen, weshalb ich auf ihr Verständnis hoffte.
    Als ich mit meiner Beichte fertig war, nahm sie die Hand vor den Mund und wollte mich nicht ansehen. Zuerst wurde ich etwas unruhig, aber dann erkannte ich, dass sie lachte.
    »Was ist denn mit dir los?«, fragte ich.
    Sie wurde wieder ernst. Nahm die Hand herunter und holte tief Luft. »Ich habe euch gesehen«, sagte sie. »Ich wollte es eigentlich nicht zugeben, aber ich habe die ganze Zeit gewusst, dass ihr da gestanden habt.«
    »Mein Gott«, stöhnte ich. »Das ist doch wohl nicht möglich.«
    »Alles ist möglich«, erklärte Ewa Kaludis und lachte von neuem.
    Verner Lindström war im Laufe der Zeit auch nicht jünger geworden.
    »In zwei Monaten ist es verjährt«, erklärte er und rückte seine Fliege gerade. »Aber das ist nicht der Grund, warum ich mit dir sprechen will. Ich bin dabei, ein kleines Erinnerungsbuch zu schreiben. Im Frühling bin ich pensioniert worden, und mit irgendwas muss man sich ja beschäftigen.«
    Wir saßen in Linneaus Hinterzimmer in der Linnegatan. Soweit ich verstanden hatte, war Lindström eigens für dieses Gespräch mit der Bahn nach Göteborg gekommen. Es war offensichtlich, dass es ihm nicht leicht fiel, die Tage als Pensionär verstreichen zu lassen.
    Es kommt, wie es kommt, dachte ich. Einige Menschen lernen es nie, ihren wohlverdienten Ruhestand zu genießen, während andere dafür geboren zu sein scheinen.
    Nach dem Essen holte Lindström sein Bronzolröhrchen heraus. Ich konnte mich nicht daran erinnern, diese Pastillen in den letzten zehn, fünfzehn Jahren irgendwo gesehen zu haben, aber vielleicht hatte er sich ja bereits Anfang der Siebziger eine Reserve für alle Zeiten angelegt.
    »Tatsache ist«, sagte er und stopfte sich zwei Pastillen in den Mund. »Tatsache ist, dass ich nicht viele unaufgeklärte Fälle aufzuweisen habe. Und nur einen Mord. Den an Bertil Albertsson.«
    »So kann es kommen«, sagte ich. »Nun ja, ihr habt jedenfalls euer Bestes getan.«
    Er kaute und wiegte langsam den Kopf hin und her wie ein alter Bluthund. »Das Resultat«, sagte er. »Ich scheiße auf alle
    Bemühungen, es ist allein das Resultat, das zählt. Jemand hat diesen verfluchten Handballspieler auf diesem verfluchten Parkplatz vor fünfundzwanzig Jahren ermordet, und in zwei Monaten ist er frei.«
    »Jemand?«, wiederholte ich. »Ich dachte, ihr wärt überzeugt davon, dass es mein Bruder war. Und dass ihr es ihm nur nicht beweisen konntet.«
    Verner Lindström seufzte.
    »Er oder sie«, erklärte er. »Das war ja die Spur, die wir verfolgen mussten. Du musst wissen, dass wir auch, was sie betrifft, nicht an Einsatz und Energie gespart haben. Wir haben sie im Herbst eine Zeit lang Tag und Nacht verhört, aber sie hat standgehalten. Verdammt schöne Frau übrigens, möchte nur wissen, was aus ihr geworden ist.«
    »Keine Ahnung«, sagte ich und zuckte mit den Schultern. »Ist bestimmt ins Ausland gegangen, sie ist der Typ dafür.«
    Lindström betrachtete mich eine Weile, bevor er weitersprach. »Was mich am meisten interessiert, ist die Frage, ob du bereit wärst, mir weitere Informationen zu geben? Jetzt, wo du deinen Bruder nicht mehr schützen musst.«
    »Es ist noch zwei Monate hin«, wies ich ihn zurecht. »Es wäre jetzt immer noch möglich, ihn festzusetzen.«
    Er lächelte kurz und schüttelte das Bronzolröhrchen ein paar Mal - wahrscheinlich um zu testen, wie viel es noch enthielt. »Mein Ehrenwort«, sagte er dann und steckte es wieder in die Brusttasche. »Du glaubst doch wohl nicht, dass diese armen Pensionärshände Lust haben, etwas auszubuddeln, was die ganzen Jahre über vergraben lag?«
    Er hob die Handflächen in die Luft und betrachtete erst sie, dann mich mit der unschuldigsten Miene der Welt. »Wie dem auch sei«, sagte er. »Mich interessiert das einfach. Es wäre ja nicht überraschend, wenn ihr mit irgendwas hinter dem Berg gehalten habt, du und dein Kumpel. Schließlich wart ihr erst vierzehn, und in dem Alter ist es nicht immer so leicht, zu wissen, wie man sich verhalten soll.«
    Er machte eine kurze Pause und verbarg seine Hände unter dem Tisch, als hätten sie nicht so recht seinen Erwartungen Genüge getan. »Ja, schließlich war es ja möglich, dass in besagter Nacht noch eine andere Person in Genezareth war.«
    »Eine andere Person?«, fragte
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