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Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Titel: Kim Novak badete nie im See von Genezareth
Autoren: Håkan Nesser
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nichts eingefallen, was ein wenig Licht in die Geschichte bringen könnte? Etwas, das ihr mir damals verschwiegen habt oder was dir erst später eingefallen ist?«
    »Nein«, sagte ich. »Ich habe fünfundzwanzig Jahre lang darüber nachgedacht, und ich weiß heute genauso wenig wie damals. Ein Wahnsinniger, der die Tat nur zufällig begangen hat, das ist mein Vorschlag. Seid ihr dieser Möglichkeit damals wirklich gründlich nachgegangen?«
    Lindström antwortete nicht.
    »Außerdem hätte ich mich natürlich an die Polizei gewandt, wenn ich etwas gewusst hätte«, fügte ich hinzu.
    Lindström sah zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich erschöpft aus, und ich merkte, dass von meinem Respekt, den ich ihm gegenüber Anfang der Sechziger gehabt hatte, nicht mehr viel übrig geblieben war. Und ich begriff auch, dass man vermutlich nicht besonders geeignet ist, Menschen zu bewerten, wenn man erst vierzehn Jahre alt ist, auch wenn mein Bruder mich gerade deshalb damals gelobt hatte.
    »Es tut mir Leid«, sagte ich. »Es tut mir aufrichtig Leid, aber es sieht so aus, als würde deine Göteborgreise ohne Erfolg bleiben.«
    »Sag das nicht«, widersprach Lindström. »Das Essen war gar nicht schlecht, und ich habe noch ein Gespräch vor mir.«
    »Ach?«, wunderte ich mich. »Mit wem denn?«
    Er rückte das Bronzolröhrchen in der Brusttasche gerade und schaute aus dem Fenster.
     
    ***
     
    Ich bekam nie heraus, ob Verner Lindström wirklich noch ein zweites Interviewopfer während seiner Göteborgvisite aufgesucht hatte, aber zwei Monate später war die Bertil- Albertsson-Sache auf jeden Fall verjährt. Das war im September 1987, und erst später erfuhren Ewa und ich, dass wir uns ausgerechnet an dem Abend, als die Frist ablief, einen
    Hummer und eine Flasche Champagner geteilt hatten.
    Als hätten wir das Datum gewusst und wären der Meinung gewesen, wir müssten es auf irgendeine Art feiern.
    Der wahre Grund war natürlich gewesen, dass Karla zu ihrem Vater nach Eslöv gefahren war und wir deshalb endlich einmal die Wohnung in der Palmstedtsgatan für uns allein hatten.
    So verging die Zeit, und die Dinge gerieten in Vergessenheit. Ewa Kaludis und ich bekamen nie ein Kind miteinander, dazu war die Zeit zu knapp. Sie war schon 47, als wir uns wieder trafen, und wir beschlossen beide, dass das Risiko zu groß war. Ihre Tochter Karla wohnte ungefähr bis 1990 bei uns, dann verließ sie uns, um irgendwas in Paris zu studieren, lernte einen dunkelgelockten Franzosen kennen und blieb dort. Der Kontakt zu meinen eigenen Kindern nahm im gleichen Maße zu, in dem Ellinors Zorn abnahm, und ein paar Herbstmonate lang wohnte mein ältester Sohn Frans bei uns, als er das erste Semester auf der Journalistenschule absolvierte.
    Obwohl Ewas Menstruationszyklus ein paar Monate, nachdem sie fünfzig geworden war, endete, änderte das nicht viel an unserem Liebesleben. Soweit ich auf Grund diskreter Gespräche mit Kollegen und anderen beurteilen konnte, war unser Sexualleben außerordentlich lebendig. Und dass mehr als zehn Jahre zwischen uns liegen, da wäre sowieso kein Mensch darauf gekommen. Ich selbst denke kaum einmal daran - und wenn, hat es keine Bedeutung für mich.
    Es ist eben, wie es ist. Bei einigen Menschen sind die Jahre nicht zu sehen, während man sie bei anderen doppelt und dreifach zählen kann.
    Die letzte Strophe der Genezarethgeschichte - oder der Geschichte des SCHRECKLICHEN, wie ich es einstmals zu nennen pflegte, wurde im Frühling und Sommer 1997 geschrieben.
    Über Ellinor, meine frühere Ehefrau, erfuhr ich Anfang Mai, dass der Gemeindepfarrer Wester oben in Änge einen Herzinfarkt erlitten hatte und im Krankenhaus in Östersund lag.
    Möglicherweise lag er bereits im Sterben, und da er noch von seinem damaligen Besuch vor zwölf Jahren Ellinors Telefonnummer hatte, hatte er sie angerufen und ihr gesagt, dass er mich gern sehen würde.
    Es war natürlich nicht besonders verwunderlich, dass Edmund einen Herzinfarkt hatte. Ich erinnerte mich an seinen enormen Körperumfang, und ich beschloss, bei der nächsten Gelegenheit nach Östersund zu fahren.
    Die Gelegenheit bot sich bereits ein paar Tage später, es war Christi Himmelfahrt, und ich hatte vier Tage frei. Unter den drei Möglichkeiten, zu fliegen, den Zug oder das Auto zu nehmen, entschloss ich mich schließlich für Letzteres. Ich fuhr früh am Donnerstagmorgen los, und einen halben Tag später nahm ich auf einem Metallrohrstuhl neben Edmund Platz.
    Er war in
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