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Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Titel: Kim Novak badete nie im See von Genezareth
Autoren: Håkan Nesser
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Augen. Das blonde Haar war jetzt rot, ein Farbton, der ihr irgendwie noch besser stand, und von dem ich mir einbildete, es wäre ihr ursprünglicher. Obwohl sie sicher schon auf die Fünfzig zuging, war sie eine Schönheit von fast verblüffender Art.
    Aus meiner Perspektive zumindest.
    »Mein Gott«, platzte ich heraus. »Ewa Kaludis.«
    Sie schaute in die Reservierungsliste.
    »Ja, da bist du ja«, sagte sie. »Ich habe deinen Namen schon gesehen.«
    Seit meiner Heirat war ich Ellinor durchgehend treu gewesen, aber ich wusste innerhalb einer halben Minute, dass ich diese Treue jetzt brechen würde. Ich wusste es nicht nur, weil ich es selbst wollte, sondern weil ich sah, dass auch Ewa es wollte. Sie rief etwas ins Rezeptionsbüro und gab einem jungen blonden Mädchen den Auftrag, ihren Platz hinter dem Tresen einzunehmen. Es war deutlich zu sehen, dass sie eine Art Führungsposition in dem Hotel einnahm. Dann klappte sie eine Luke hoch und kam zu mir heraus.
    »Ich werde dir dein Zimmer zeigen«, sagte sie. »Es ist schön, dich nach all den Jahren wiederzusehen.«
    Wir fuhren mit dem Fahrstuhl nach oben.
    »Weißt du noch, was du in dem Sommer damals als Letztes zu mir gesagt hast?«, fragte sie, als wir ins Zimmer gekommen waren.
    Ich nickte.
    »Und was du gemacht hast?«
    Ich nickte wieder.
    »Hast du immer noch etwas von dem Vierzehnjährigen in dir?«
    »Darauf kannst du wetten«, antwortete ich.
    ***
    Sie hatte gerade ihre Menstruation gehabt - und war außerdem etwas im Stress -, deshalb unterhielten wir uns am ersten Abend nur.
    »Ich würde mich gern dafür bedanken, was ihr in dem Sommer gemacht habt«, sagte Ewa. »Ich möchte dir und Edmund danken. Wie ihr euch hinterher verhalten habt und so, dazu hatte ich irgendwie nie die Gelegenheit.«
    »Ich habe dich geliebt«, erklärte ich. »Und ich glaube, Edmund hat dich auch geliebt.«
    Sie lachte. »Es war Henry, der mich geliebt hat. Und ich habe Henry geliebt.«
    Ich fragte, wie es hinterher zwischen meinem Bruder und ihr so gelaufen sei. Ob noch was daraus geworden war oder ob alles nach dem SCHRECKLICHEN irgendwie nur im Sand verlaufen war?
    »Wir haben uns später wiedergesehen«, erzählte sie nach einer kleinen Pause. »Hier in Göteborg. Mehr als ein Jahr danach, vorher haben wir uns nicht getraut. Und dann waren wir eine Weile zusammen, hat er dir das nie erzählt?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich hatte fast gar keinen Kontakt mehr zu meinem Bruder. Er ist weggezogen, und dann sind wir auch weggezogen.«
    »Es hat nie richtig geklappt«, fuhr sie fort. »Ich weiß auch nicht warum, aber das, was passiert ist, stand irgendwie immer zwischen uns. Das SCHRECKLICHE, wie du es nennst.«
    Ich nickte. Ich verstand. Recht bedacht wäre es merkwürdig gewesen, wenn es gut gegangen wäre. Als ich vierzehn war und Kommissar Lindström gegenüber saß, hatte ich nicht so gedacht, aber jetzt erschien mir das nur logisch.
    Nicht nur, dass das zwischen Henry und Ewa nichts Dauerhaftes wurde, sondern auch, dass es einen Grund dafür geben musste.
    Eine Art Gerechtigkeit.
    »Bist du verheiratet?«, fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf. »War ich. Ich habe eine Tochter von vierzehn, deshalb habe ich heute Abend nicht so viel Zeit.«
    »Ich erinnere mich noch an deine Hände auf meinen Schultern«, sagte ich. »Ich möchte dich morgen Nacht lieben. Es zumindest versuchen.«
    Sie lachte. »Morgen habe ich Zeit«, erklärte sie. »Schon der Versuch ist ehrenwert. Sollte es nicht klappen, können wir
    immer noch einfach beieinander liegen.«
     
    ***
     
    Es war nicht genug, beieinander zu liegen. Die Nacht vom sechsten auf den siebten Oktober liebte ich Ewa Kaludis nach mehr als zwanzig Jahren Wartezeit.
    Ich liebte sie zum ersten Mal. Das war die ernsthafteste Tat in meinem Leben, und ich glaube, dass es Ewa fast ebenso ging. In dem darauf folgenden Jahr trafen wir uns mehrere Male - mit immer kürzeren Abständen -, und einen Monat, nachdem die Scheidung zwischen Ellinor und mir in Kraft trat, zog ich nach Göteborg. Es gelang mir, einen einigermaßen akzeptablen Lehrerjob im Gymnasium von Mölndal zu finden, und Anfang des Jahres 1987 wohnten wir endlich unter einem Dach.
    Ich, Ewa Kaludis und ihre Tochter Karla.
    »Ich habe das Gefühl, als wäre ich nach Hause gekommen«, erklärte ich Ewa in der ersten Nacht.
    »Willkommen daheim«, antwortete Ewa.
    Schon nach wenigen Wochen hatte ich das Gefühl, ich müsste ihr erzählen, wie Edmund und ich in jener
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