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Killerspiel

Killerspiel

Titel: Killerspiel
Autoren: Michael Marshall
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von brutalen Rückfalltätern und Borderline-Psychopathen, doch er ist dazu noch intelligent und vernünftig und hat – insbesondere – gut auf das Resozialisierungsprogramm angesprochen, das der Direktor, seitdem er im Amt ist, so stark fördert. Das ist auch der Grund, weshalb dieser Gefangene jetzt vor ihm sitzt, statt wie die wenigen anderen Glücklichen gewissermaßen mit einem Tritt in die normale Welt hinausbefördert zu werden. In Bezug auf sein Verbrechen – den Mord an einer 28 -jährigen Frau – hat Hunter Reue an den Tag gelegt und nachhaltig gezeigt, dass er Auslöser und Umstände der Tat verstanden hat, so dass er in Zukunft kritische Situationen dieser Art von vornherein vermeiden kann. Er hat gesagt, dass es ihm leidtut, und war sich dabei offensichtlich der Tragweite des Verbrechens bewusst. Neun Jahre Hafterlass sind nicht gerade alltäglich, besonders bei Mord, und der Gefängnisdirektor ist stolz auf diesen Mann.
    Jetzt sitzt er vor ihm. Höflich, schweigsam, reglos wie ein Stein.
    »Gibt es sonst noch etwas, worüber Sie reden möchten?«
    »Nein, Sir. Außer, na ja, mich bei Ihnen zu bedanken.«
    Der Direktor steht auf, und der künftige Ex-Häftling folgt seinem Beispiel.
    »Gern geschehen. Ich wünschte mir nur, jeder hier drinnen hätte Aussicht auf ein solches Ende.«
    »Vielleicht bekommen die Leute das Ende, das sie verdienen, Sir.«
    Der Gefängnisdirektor weiß, dass das nicht einmal ansatzweise stimmt, doch er schüttelt ihm die Hand. Die Hand des Direktors ist warm, ein wenig feucht – die des anderen Mannes trocken und kühl.
     
    Der Gefangene wird durch eine Reihe von Fluren geleitet. Dazu gehören die Gänge, die fast zwei Jahrzehnte lang sein Universum markiert haben, die Wege zwischen Kantine, Werkstatt und Hof, durch die das Käfigrütteln und die Rufe von Männern hallen – von Dieben und Mördern, von Leuten, die gegen die Bewährungsauflagen verstoßen haben, von Pädophilen, Autoknackern und Gruppenvergewaltigern irgendwo zwischen achtzehn und einundsiebzig Jahren –, deren Namen und Wesenszüge oder Grad moralischer Verkommenheit zu seiner Erleichterung schon jetzt in seinem Kopf verblassen. Ein paar von ihnen rufen ihm im Vorbeigehen etwas zu. Er ignoriert sie. Wie Gespenster hocken sie tief in ihren Höhlen. Sie können ihm nicht mehr gefährlich werden.
    Die nächsten Korridore markieren bereits den Weg nach draußen – die Seite der Freiheit hinter den Eisentoren und zahllosen Schlössern. Je mehr er davon passiert, desto häufiger durchlebt der Mann Momente, in denen es schwierig wird, seinen mühsam errungenen Gleichmut zu wahren. Durch diese Flure zu laufen, fühlt sich für ihn so an, als käme er in dem endlosen Irrgarten, in dem er ein Drittel seines Lebens verbracht hat, zum eigenen Staunen plötzlich voran; als sei er endlich kurz davor, dem Wahnsinn zu entfliehen, der sich – im Verlaufe eines vier Olympische Spiele umspannenden Zeitraums – in jedem Winkel seines Kopfes eingenistet hat, außer in diesem winzigen Kern, in dem sich seine Seele verkrochen hat.
    An der Verwahrstelle der Anstalt unterschreibt Hunter die Papiere in Gegenwart von Vollzugsbeamten, die ihn jetzt anders behandeln – wenn auch nur geringfügig. Für sie wie für die Welt da draußen wird diese Zeit nie ganz vorüber sein. Einmal Krimineller, immer Krimineller – besonders, wenn es um Mord geht. Mord heißt, du bist nicht wie wir anderen, reden wir uns jedenfalls ein.
    In einer Klarsichttüte werden ihm seine Habseligkeiten ausgehändigt – eine Armbanduhr, eine Brieftasche mit siebzig Dollar sowie ein paar Münzen und andere Kinkerlitzchen aus seinem früheren Leben. Er wird in einen Raum mit einem Drahtkäfig geführt, wo er vor den Augen der Beamten und der anderen Männer, die ebenfalls entlassen werden, die Kleider anzieht, in denen er das Gefängnis einmal betreten hat. Er ist es gewohnt, dass sich alles, was er tut, vor den Augen anderer Männer abspielt, doch er sehnt den Moment herbei, in dem sich das ändert. Die Sachen passen noch. Eine Jeans, ein langärmliges, schwarzes T-Shirt und eine abgetragene schwarze Jeansjacke. Eine durch und durch zeitlose Kombination.
    Ein Beamter bringt ihn über eine Treppe zu einem offenen Hof, der an den angrenzt, auf dem er jede Woche seine vier Stunden Freigang verbracht hat. Das Tor wird für ihn aufgeschlossen.
    Er läuft hindurch.
    Die Welt.
     
    Vierzig Meter weiter wartet ein Taxi. Die anderen Gefangenen, die
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