Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Killerspiel

Killerspiel

Titel: Killerspiel
Autoren: Michael Marshall
Vom Netzwerk:
sich zog. Auch wenn es die Geldgeber damals vermutlich in Rage versetzt hatte, so lagen langfristig die Vorteile auf der Hand. Würde nicht eine Gruppe höherer – und neuerer – Wohnblocks unten am südlichen Ende die Sicht versperren, würde der Blick bis in die Wildnis am Ende des Lido Key reichen.
    Es war ein großartiger Ausblick. Und ich wollte ihn haben.
    »Also, wie haben Sie den aufgetrieben?«
    »Das Internet ist eine unerschöpfliche Quelle.«
    »Ja, hab ich mir sagen lassen«, erwiderte Thompson und stellte den guten Tropfen auf die Frühstückstheke, bevor er mich zu einer Sitzgruppe mit weißen Sofas und einem gläsernen Couchtisch führte, der groß genug war, um darauf Tischtennis zu spielen, vorausgesetzt, man hatte richtig kurze Beine. Abgesehen von einem Wälzer mit Sudoku-Puzzles und einem reichverzierten Kistchen aus Holz, war er leer. »Ich hab in der realen Welt mehr als genug um die Ohren. Keine Zeit für diesen ganzen Web-Scheiß.«
    Er nahm eine Zigarette aus dem Kistchen und lud mich mit einer stummen Geste ein, mich ebenfalls zu bedienen. Ich schüttelte den Kopf und wunderte mich im Stillen, dass es immer noch Menschen gab, die so etwas besaßen. In Thompsons Jugend – er hatte achtundsechzig Jahre auf dem Buckel, war aber kerngesund und dafür bekannt, jeden Morgen seine fünf Meilen am Strand zu joggen – waren sie zweifellos angesagt, genauso wie Onyx-Tischfeuerzeuge oder mit Holzimitat verkleidete Kombis. Die übrige Wohnung entsprach der Florida-Beach-Tradition: geflieste Böden, pastellfarbene Einrichtung, Korallen-Collagen an den Wänden und auf jedem Regalfach, das nicht mit Paperback-Thrillern vollgestopft war, aus Holz geschnitzte Pelikane. Die Klimaanlage war auf Kühlschranktemperatur aufgedreht.
    »Ich dachte, Sie rauchen.«
    »Hab damit aufgehört«, sagte ich.
    »Wozu in aller Welt?«
    »Es ist ungesund. Heißt es jedenfalls.«
    »Blödsinn«, sagte Thompson. »Hat mir nie geschadet.«
    »Nicht jeder hat Ihre Konstitution, Sir«, sagte ich und war mir zu meinem eigenen Ärger bewusst, dass ich wie ein Arschkriecher klang. Andererseits war ich genau zu diesem Zweck da.
    Thompson zündete sich seine Zigarette an und lehnte sich in dem weißen Ledersofa zurück. »Also, ich bedanke mich herzlich für den Wein, Bill. Haben Sie gut gemacht. Aber warum das Ganze?«
    »Ich wollte mit Ihnen über den aktuellen Zustand der Anlage sprechen«, sagte ich.
    »Wollen Sie etwa sagen, sie sieht scheiße aus?«
    »Keineswegs«, sagte ich ruhig. Aus früheren Begegnungen wusste ich, dass Thompson Gespräche führte, wie Leute sonst mit Kakerlaken umgehen. »Verglichen mit anderen hier in der Gegend – Tradewinds, Pelican Sands, egal welche –, ist sie bestens in Schuss. Alles in allem. Aber …«
    »Sie verschwenden Ihre Zeit«, sagte Thompson. »Dieses Jahr werden wir nicht renovieren. Ende der Durchsage. Wollten Sie sonst noch was besprechen?«
    »Darf ich fragen, wieso?«
    »Drei Gründe. Geld, Geld und nochmals Geld.«
    »Kann ich gut verstehen, und das sind ja auch gute Gründe, aber ich wollte Ihnen mitteilen, dass unter den Eigentümern eine gewisse Unzufriedenheit herrscht. Und sie wächst.«
    »Wer?«
    »Kann ich Ihnen nicht sagen«, konterte ich.
    Thompson runzelte die Stirn, so dass sich seine ledrige Haut mit einem faltigen Netz überzog, das der Sonne und den Zigaretten zuzuschreiben war. »Dachte, Sie sind nur Makler, Bill. Hab nicht gewusst, dass Sie der Schweigepflicht unterliegen. Sind Sie vielleicht nebenher Arzt? Oder Anwalt? Oder hab ich jetzt einen gottverdammten Priester, der mir meine Wohnungen verkauft?«
    Ich schmunzelte. »Nein, Sir. Nur Makler. Aber wenn ich anfange, jedes Gespräch mit meinen Kunden herauszuposaunen, erzählen die Leute mir bald gar nichts mehr, nicht wahr?«
    Er schien diesen Punkt zu überdenken. Ich nutzte meine Chance. »Die Leute hängen an ihren Wohnungen. Sie sind ihr Zuhause, durch sie zeigen sie irgendwie, wer sie sind. Ich respektiere das, genauso, wie ich ihre Privatsphäre respektiere. Wenn mir also jemand etwas erzählt, kann er sich drauf verlassen, dass es bei mir sicher aufgehoben ist.« Ich legte eine Pause ein, damit das auch wirklich bei ihm ankam – dass er es bei mir mit einem Mann zu tun hatte, der aus übergeordneten Erwägungen heraus den Mund halten konnte. »Aber
eins
kann ich Ihnen sagen: Das kommt nicht nur von Leuten, die verkaufen wollen. Die sind in Gedanken schon draußen. Sollen sie doch zum Teufel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher