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Kill your friends

Kill your friends

Titel: Kill your friends
Autoren: John Niven
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Gedrängel und der Verkehr auf der Regent Street oder die Schwierigkeiten, irgendwo einen guten Tisch zu ergattern, leidlich wenig.
    Oh ja, Weihnachten erstrahlt in einem ganz anderen Glanz, wenn du die Weihnachts-Nummer-1 hast.
    Derek und ich gehen zum Lunch ins River Café. Er hat Ente, ich habe Penne. Wir trinken Champagner. Laut Midweeks hat »Fully Grown« von den Songbirds heute Morgen den härtesten Konkurrenten in den Verkäufen zwei zu eins geschlagen. Absolut unerreichbar. Derek spielt den Reumütigen. Phrasen wie »unentbehrlicher Aktivposten« und »großartiges Gehör« schwirren durch den Raum. An einem gewissen Punkt geht diese verlogene Schwuchtel – befeuert von diversen Schnäpschen und ein paar Bellinis – doch glatt so weit, mir erzählen zu wollen, »wir hätten immer schon großen Respekt füreinander gehegt«. Großmütig toleriere ich diesen Quatsch einige Zeit, bevor ich sein Angebot, der Position als Head of A&R gnädig akzeptiere.
    Er stottert und stammelt ein wenig, als ich die irrsinnig maßlosen Bedingungen für meine Zustimmung aufzähle –, eine völlig überzogene Gehaltserhöhung, einen Vertragsabschlussbonus, Gewinnbeteiligung, einen besseren Wagen etc. – aber er stimmt so ziemlich allem zu. Mein Anwalt wird das im neuen Jahr mit Trellick ausarbeiten.
    Im neuen Jahr plane ich, Platinstatus mit dem Songbirds-Album zu erreichen.
    Im neuen Jahr soll Dereks eigener Vertrag verlängert werden. Ich werde Derek das Leben ausgesprochen schwer machen.
    Im neuen Jahr werde ich Dunn feuern lassen.
    Im neuen Jahr werde ich Nicky feuern lassen.
    Im neuen Jahr feuere ich Rob Hastings.
    Sie alle werden bezahlen.
    Derek fordert die Rechnung. Draußen, vor den Spiegelglasscheiben des River Cafés, laufen Passanten vorbei. Die armen Schweine haben ihr Kinn in Schal und Kragen gedrückt und die Hände in den Taschen ihrer Wintermäntel vergraben. Ich lehne mich in meinem kurzärmeligen Hemd entspannt zurück. Auch wenn ich ihn nicht spüre, weiß ich, dass ein beißender, salziger Wind von der Themse her über die Bürgersteige und die Einwohner von Hammersmith hinwegpfeift. Hier, an der Biegung nach Oxfordshire, ist die Themse noch nicht zugefroren. Kajakfahrer gleiten auf dem Wasser vorüber. Die Bäume entlang des Flussufers ducken sich unter den eisigen Böen. Einem Big-Issue-Verkäufer – der deutlich zu wohlgenährt ist, um glaubwürdig zu erscheinen – wird eine zerfledderte Zeitung aus der blau gefrorenen Hand geweht.
    Die Kälte kümmert mich wenig. Nachdem Derek die Rechnung bezahlt hat, schlendern wir die drei Meter über den Bürgersteig zum wartenden Wagen, einem mollig warmen Benz von Addison Lee mit Chauffeur, und zockeln die halbe Meile zurück ins Büro. Dort herrscht das ganze Jahr über die gleiche angenehme Temperatur. Später, nach einem arbeitsreichen Tag im Büro – ich muss die letzten Reisevorbereitungen für Thailand erledigen, die Sonderausstattung meines neuen Range Rovers in Auftrag geben, von meinem neuen Büro aus (Parker-Halls ehemaligem Büro, Schneiders ehemaligem Büro) das Clearing überwachen, eine Rohfassung des neuen Songbirds-Videos abnehmen –, habe ich vom Empfang bis zu meinem neuen Parkplatz, gleich neben Dereks, nur fünf Meter zu laufen.
    Nein, die Kälte kann mir wirklich egal sein.
    Dereks bescheuerter Klingelton ertönt. Er klappt sein Handy auf. In den Seitenstraßen entlang des Flusses, im Hinterland zwischen Hammersmith und Fulham, stehen eine Menge verstaubter alter Häuser. Aschgraue Gardinen, fünfzigmal überstrichene, nicht mehr schließende Fensterläden, tote Gärten. Vermutlich voller alter Schnepfen, die dort seit dem Zweiten Weltkrieg hausen. Vermutlich allesamt hoffnungslos unterbewertet. Such dir einen hilfsbereiten Immobilienmakler, und – zack – die Sache ist geritzt. Ich muss Trellick davon erzählen.
    »Oh mein Gott, nein!«, jammert Derek lautstark und hält sich auf diese affektiert schwuchtelige Weise die Hand vor den Mund. Mein erster Gedanke ist, dass etwas Unfassbares, etwas unglaublich Schreckliches geschehen ist: Irgendwie hat eine der Platten, die in den Charts hinter den Songbirds liegt, dramatisch an Verkäufen zugelegt und uns überholt.
    »Was ist los?«, frage ich, aber er wendet sich ab, einen Finger im Ohr, und hört weiter zu. Das kann nicht wahr sein. Wir haben doch beinahe dreimal so viel verkauft wie die Platte, welche uns am nächsten …
    Er legt auf und sieht mich mit weit geöffnetem Mund
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