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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre
Autoren: Imogen Parker
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tief, als sei der Rauch
reiner Sauerstoff. Sie schnippte die Asche auf die Terrasse und verteilte sie
mit der Fußspitze ihrer schwarzen Lackpumps, sah dann wieder auf die Zigarette
in ihrer Hand und bemerkte, daß ihre Lippen auf dem Filter einen scharlachroten
Abdruck hinterlassen hatten.
    Das erinnerte sie an ihre Mutter.
Margarets Täuschungsmanöver hatte darin bestanden, angeblich Lebensmittel
einkaufen zu müssen, die sie aus unerfindlichen Gründen vergessen hatte. »Ich
hol nur schnell noch was«, rief sie dann, schloß die Haustür hinter sich und
ging den Gartenweg hinunter. Sobald sie das Ende ihrer Straße erreichte, wurden
ihre Schritte schneller. Ein Blick über die Schulter, um sicherzugehen, daß ihr
Mann ihr nicht folgte, und dann kam die Zigarette aus der einen Tasche, das
Feuerzeug aus der anderen. Dann der Kick. Von ihrem Schlafzimmerfenster aus
konnte Alison beobachten, wie die verhärmten Gesichtszüge ihrer Mutter sich
augenblicklich glätteten. Ihre Nikotinsucht ließ sie sogar vergessen, daß es
sich nicht gehörte, auf der Straße zu rauchen. Das mußte ihr Vater doch gewußt
haben. Sogar er mußte ab und zu in den Schrank neben der Spüle geschaut und
sich gefragt haben, warum sie so viele Packungen Heinz-Spaghetti horteten.
Hatte ihre Mutter wirklich der Werbung auf der Rückseite des Sonntagsmagazins
geglaubt — kraftstrotzende Jugendliche mit perlweißen Zähnen, die einen
Wasserfall hinaufkletterten — die implizierte, daß Mentholzigaretten frischen
Atem machten?
    Ich werde langsam wie meine Mutter,
dachte Alison entsetzt, warf die Kippe auf den Boden und trat sie auf dem Beton
aus. Asche und Tabak verschwanden im Staub, aber der Filter mit dem
scharlachroten Fleck blieb, wie eine Anklage, die sich nicht leugnen ließ. » A
cigarette that bears a lipstick’s traces «, dachte sie, als es ihr wieder
flau im Magen wurde und sie langsam zurück zum Haus ging.
     
    Stephen spielte leise die
Mondscheinsonate. Sein Gesichtsausdruck verriet ihr nicht, ob er sie rauchen
gesehen hatte.
    »Ich hab den Tisch wieder abbestellt.
Dachte nicht, daß du ausgehen willst«, sagte er und nahm die Hände kurz von den
Tasten.
    Sie sah ihn verdutzt an. Dann fiel es
ihr wieder ein. Das River Café.
    »Gut«, sagte sie. »Dann koch ich was.«
    Sie ging an ihm vorbei in die Küche
und begann mit den Essensvorbereitungen.
    Die absolute Monotonie des
Gemüseschneidens hatte etwas Therapeutisches. Sie entschied sich, Ratatouille
zu machen. Sie schnitt Auberginen in dicke Scheiben, salzte sie und häufte sie
in ein Sieb auf dem Abtropfbrett. Dann goß sie kochendes Wasser über frische
Tomaten in einer Schüssel, nahm sie nacheinander heraus und schälte sie, wobei
sie sich die Finger verbrannte. Sie freute sich an dem weichen, fast haarigen,
warmen Fleisch und bemerkte zu spät, daß sie vergessen hatte, eine Schürze über
ihr schwarzes Kostüm zu ziehen. Dickflüssiges, grünes Olivenöl wurde auf dem
Boden der schweren Pfanne klar und golden. Sie warf ein paar Knoblauchzehen
hinein. Der Duft lockte Stephen in die Küche.
    »Kann ich dir was helfen?« fragte er
hinter ihr und legte die Arme über ihre Schultern. Seine Hände ruhten auf ihrem
dicken Bauch.
    »Nein, ich komme schon klar...
Wirklich«, sagte sie und wünschte, er ginge zurück zu seiner Musik.
    Die Essenszubereitung gab ihrem Gehirn
genau die richtige Beschäftigung, gerade genug um es davon abzuhalten,
Zeitsprünge in die Zukunft zu machen, ins gähnende, beängstigende Ungewisse,
oder, noch schlimmer, in die Vergangenheit, zu Ereignissen, die sie in den
grauen Nebel der Erinnerung eingehüllt hatte, die jedoch plötzlich wieder
lebendig und quälend geworden waren.
    »Soll ich vielleicht doch noch mal
anrufen?« schlug Stephen vor. »Ich dachte nicht, daß du Hunger hast.«
    Er gab sich solche Mühe, nett zu sein.
Sie wußte, daß sie dankbar sein sollte oder beruhigt, oder was auch immer er
bei ihr bewirken wollte, aber sie schien nicht in der Lage zu sein, irgend
etwas zu empfinden. Keine Enttäuschung, nicht einmal Ärger. Sie fühlte sich nur
gelähmt und erschöpft.
    »Nein, mir macht das ziemlichen Spaß«,
sagte sie.
    »Dann gehen wir, wenn ich wieder
daheim bin. Soll ich gleich einen Tisch vorbestellen?« fragte er.
    Mach, was du willst, aber laß mich in
Ruhe.
    »Wir sollten das Beste aus dieser Zeit
machen«, sagte er, schlenderte ins Wohnzimmer und griff zum Telefonhörer.
»Danach wird alles anders sein.«
    Alison fischte mit
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