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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre
Autoren: Imogen Parker
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Mensch, bemerkte er, der die Grenzen zwischen Menschen immer leicht
falsch einschätzte. Sie versuchte ihn und Lia in die Clique einzubeziehen, die
sie mit den Leuten aus dem Kurs gründen wollte, die sie für annehmbar hielt,
gemäß irgendwelcher Verhaltensregeln, die nur sie selbst zu kennen schien. Er
wollte aber nicht in ihre Clique eintreten. Jedenfalls jetzt noch nicht. Alle
sagten, daß man andere Leute treffen wollte, die zum ersten Mal Eltern wurden.
Die Idee hatte Lia mehr angesprochen als ihn, denn als Paar kannten sie praktisch
niemanden und auch sonst keinen mit Kindern. Es war der erste Schritt zu
elterlicher Verantwortung, hatte Neil gescherzt, für seinen Fötus
Spielkameraden aufzustellen. Er erinnerte sich daran, daß er im Interesse
seines Kindes nett zu Ginger sein mußte.
    »Wie du schon sagtest«, antwortete er
schließlich auf ihre Frage. »Es ist gut, ein paar Leute zu kennen, die im
selben Boot sitzen.«
    »Na ja, wenigstens haben wir uns
kennengelernt«, sagte Ginger. »Also war der Abend nicht total vergeudet. Oh
toll, ich glaube, das ist unser Essen.«
    Sie nahm ein Stück Pizza, klappte es
zusammen, öffnete den leuchtend pinken Mund weit und biß hinein. An ihrer
linken Wange lief Tomatensauce herunter.
    Sie mußte zur Upper Class gehören,
dachte Neil, um die Stimme und Tischmanieren eines Fischweibs zu haben und sich
nicht darum zu scheren, was die Leute dachten. Er bemerkte, daß auch Lia ein
Stück Pizza in der Hand hielt. Vielleicht war es gerade der letzte Schrei, so
zu essen, aber er fühlte sich nicht wohl dabei. Er nahm Messer und Gabel zur
Hand.
    »Ich hoffe wirklich, es geht der Frau
gut«, sagte Ginger mit vollem Mund.
    »Wenn du dir solche Sorgen um sie
machst, ruf sie doch an!« sagte Neil ungeduldig.
    Als sie gegangen waren, hatte Judith
an alle Kursteilnehmer eine Liste mit Telefonnummern und Terminen ausgeteilt
und sie ermutigt, Freundschaft zu schließen.
    Sein scharfer Ton schnitt durch die
milde Nachtluft.
    »Vielleicht mach ich das auch«,
antwortete Ginger, die sich des Tadels in seiner Stimme bewußt war, leicht
defensiv. »Morgen, wenn ich dazu komme. Ich muß für meinen Mutterschaftsurlaub
sehr hart arbeiten.«
    »Du hast gesagt, du arbeitest bei der
BBC«, sagte Lia, die die richtige Frage stellte, um die Atmosphäre zu
entspannen. »Was machst du da genau?«
    »Ich bin Sekretärin. Ich tippe Briefe
und werde angebrüllt. Alle haben mir gesagt, es sei der schnellste Weg, beim
Fernsehen was zu werden, aber keiner hat erwähnt, daß man auch noch eine gute Sekretärin sein muß... Und was machst du?«
    »Eigentlich alles, was so kommt«,
sagte Lia. »Ich habe gekellnert, aber mein Blutdruck ist zu hoch, und deshalb
hat der Arzt gesagt, ich soll aufhören.«
    »Ich bin Lehrer, Sportlehrer«,
antwortete Neil, als Ginger ihm zunickte.
    »Lehrer. Hmm. Mir hätte Sport
vielleicht sogar Spaß gemacht, wenn ich einen Lehrer gehabt hätte, der aussieht
wie du, und nicht so eine gräßliche alte Lesbe, die den Hockeyschläger schwingt
wie die Freiheitsstatue«, sagte Ginger.
    Neil warf Lia einen schnellen Blick
zu, um zu sehen, ob sie genauso peinlich berührt war wie er, aber sie lächelte
völlig entspannt.
     
    Alison stand mit einer Zigarette in
der einen und einer Streichholzschachtel in der anderen Hand am unteren Ende
des Gartens. An dem Tag, als das positive Testergebnis gekommen war, hatte sie
das glatte, flache Silberfeuerzeug, das sich in der Hand wie ein kühler
Kieselstein anfühlte, weggeworfen, aber sie hatte es nicht geschafft, ganz mit
dem Rauchen aufzuhören.
    Während sie überlegte, ob sie sich
eine Zigarette anzünden sollte, beobachtete Stephen sie vom Wintergarten aus.
Er wußte, daß sie noch ab und zu rauchte, aber wahrscheinlich nicht so oft, daß
es schädlich war. Manchmal, wenn sie nach Hause kam, schmeckte ihre Zunge nach
Listerin, was viel verräterischer war als der Zigarettengeruch in ihrem Haar,
der nur vom Lunch in einer Wine Bar hätte stammen können. Er sagte nichts dazu,
weil sie schon genug unter Streß stand: Arbeit und Schwangerschaft unter einen
Hut bringen. Arzttermine, Erschöpfung und die hormonellen Veränderungen, die
dafür verantwortlich zu sein schienen, daß sie so schnell die Beherrschung
verlor. Er wandte sich vom Fenster ab und setzte sich ans Klavier.
    Schließlich steckte sie sich die
Zigarette in den Mund und zündete ein Streichholz an. Der erste Zug machte sie
leicht benommen. Sie nahm noch einen und inhalierte
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