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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre
Autoren: Imogen Parker
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war doch sicher nur für ihn.
    Als ob sie seine Gedanken gelesen
hätte, legte Lia ihre kleine, warme Hand auf die seine und paßte den Moment ab,
in dem Ginger ihren Lackrucksack nach etwas durchwühlte. Dann lächelte sie ihn
mit einer Intimität an, die seine momentanen Zweifel sofort verscheuchte. Er
wollte sie am liebsten hochziehen und mit ihr wegrennen.
    »Die arme Frau...«, sagte Ginger und
betrachtete ihr Spiegelbild in dem vergoldeten Glasfenster des Restaurants. Sie
formte mit den Lippen ein O, frischte den fürchterlichen pinken Lippenstift
auf, ließ den Verschluß wieder zuschnappen und warf ihn zurück in die Tasche.
Die Leute, die am Tisch hinter der Scheibe saßen, starrten sie an und brauchten
einen Moment, bis sie erkannten, daß sie sich hinter einem Doppelspiegel
befanden und die Wasserstoffblondine sie entweder nicht sehen konnte oder
wollte. Dann widmeten sie sich wieder ihren Pizzen und wußten nicht so recht,
ob sie es als Affront auffassen sollten.
    »Glaubt ihr, es lag an der Hitze?«
fuhr Ginger fort.
    »Ich weiß nicht. Ich habe sie kaum
gesehen, bevor sie umkippte«, antwortete Lia.
    »Sie schien eigentlich ganz nett zu
sein«, verriet Ginger, die sie unbedingt über den ersten Teil des Treffens ins
Bild setzen wollte, den sie verpaßt hatten. »Im Gegensatz zu den beiden
anderen«, fügte sie hinzu.
    »Haben wir viel verpaßt?« fragte Lia,
die sich nicht auf Lästereien einlassen wollte.
    »Ich glaube nicht. Wir hatten kaum mit
diesem lächerlichen Spiel angefangen oder dieser Lernhilfe, oder wie es auch
heißt. Ich hasse sowas, ihr nicht? Meine Güte, wir sind doch erwachsene
Menschen. Wozu soll es um Himmels willen gut sein, so schwachsinnige Fragen zu
beantworten?«
    »Das kann den Menschen Selbstvertrauen
geben.« Neil fühlte sich verpflichtet, seinen Berufsstand zu verteidigen.
    »Echt? Ich verstehe nicht, wie.«
    Wie könntest du auch. Dir hat es daran
offensichtlich noch nie gefehlt, hätte er am liebsten gesagt. Sie ging ihm
langsam auf die Nerven. Er trank sein Bier aus und fragte sich, ob er noch eins
bestellen sollte. Es war schließlich nur schwaches italienisches Bier. Er hielt
die leere Flasche hoch und winkte dem Kellner damit zu, als er vorbeikam.
    »Gehst du da nochmal hin?« fragte Lia
Ginger.
    »Zu dem Kurs? Wohl kaum. Ihr? Ich
glaube nicht an diesen Quatsch von der natürlichen Geburt. Ich dachte nur, es
wäre gut, ein paar Leute kennenzulernen, die im selben Boot sitzen. Es hilft
einem manchmal zu wissen, daß auch andere Leute aussehen wie Wale«, sagte
Ginger. »Es ist das erste Mal seit Monaten, daß ich nicht die Fetteste im Raum
bin!«
    »Du bist schwanger, nicht fett«,
protestierte Lia höflich.
    »Na ja, bei dir ist es wenigstens da,
wo es hingehört.« Ginger sah auf Lias nackte, dünne Arme. »Meins scheint
überall Fettdepots angelegt zu haben. Ich hab noch nie einen BH getragen, und
jetzt habe ich sozusagen eine Hängebrücke nötig.«
    Neil sah weg und täuschte großes
Interesse am Straßenverkehr vor. Er fühlte sich, als würde er eine Unterhaltung
in einem Umkleideraum belauschen. Es überraschte ihn immer wieder, wie offen
Frauen über ihre Körper sprachen, wenn sie unter sich waren; wie sie zusammen
lachten, als seien sie alle in einen geheimen Witz eingeweiht; wie sie es
verstanden, sich gegenseitig Selbstvertrauen zu geben. Obwohl Lia und Ginger
sich noch nicht einmal drei Stunden kannten, bauten sie schon eine Beziehung
zueinander auf. Es war, als hielten sie ein seltsames, typisch weibliches
Werberitual ab, indem sie sich im wahrsten Sinne des Wortes maßen und in der
Hoffnung auf einen gegenseitigen Austausch, den sie Freundschaft nennen würden,
ihre wunden Punkte preisgaben. Es war ein gefährliches Spiel, auf diese Art
Schwächen auszutauschen. Vielleicht war das der Grund, warum Männer es nicht
spielten. Wenn zwei Männer sich genauso lang kennen würden, dachte er, würden
sie sich noch übers Wetter unterhalten.
    »Glaubst du, daß wir noch mal
hingehen, Neil?« versuchte Lia ihn ins Gespräch einzubeziehen.
    »Wenn du möchtest«, sagte er
vorsichtig.
    »Genau, wie war es für dich?« Ginger
lehnte sich über den Tisch. Sie hatte den sexuellen Unterton voll beabsichtigt
und machte jetzt des Effekts wegen eine Pause. »Ich meine, hat es dir etwas
gebracht, mit anderen werdenden Vätern zu sprechen? Oder sollte ich lieber
>Papis< sagen?« fragte sie und imitierte Judiths Stimme perfekt.
    Neil zuckte mit den Schultern. Ginger
war ein
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