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Keine Frage des Geschmacks

Keine Frage des Geschmacks

Titel: Keine Frage des Geschmacks
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Entscheidung. »Aber was ist das denn für ein Getränk? Ein Hammer, Alkohol fehlt nun wirklich nicht.«
    »Er nennt sich Jellyfish-Cocktail«, behauptete Marco. »Ich habe ihn extra stark gemixt, um euch Mut zu machen.«
    »Qualle! Du spinnst.«
    »Wegen der Farbe heißt er so, der Rest ist Wodka, blauer Curaçao, Sambuca und Rahm.«
    »Und was hat nun den Ausschlag dafür gegeben, dass du von einer Sekunde auf die andere deinen Job verlierst?« Laura war vor einer halben Stunde zurückgekommen, sie hatte ihr dickes blondes Haar hochgesteckt, und auch ihr Schritt war energisch. Alle hatte sie herzlich begrüßt, Gigi geradezu überschwänglich. Nur Laurenti erntete einen missbilligenden Blick. »Gott sei Dank, du bist gesund«, war ihr einziger Kommentar gewesen, die Frage nach dem verfrühten Ende ihres Törns tat sie einem Hinweis auf das Wetter ab.
    »Wegen der Unterbrechung gestern morgen, als Papà im Park von Miramare mit dem Dienstwagen durch die Szene bretterte und alles versaute. Der Regisseur war der Meinung, ich hätte dies verhindern können, worauf ich ihm alles ins Gesicht gesagt habe, was ich seit Drehbeginn in mich hineingefressen hatte.«
    »Ich dachte immer, die vom Film seien exzentrische Ausbrüche gewohnt.«
    »Na ja«, gab Livia kleinlaut zu. »Als er mich auslachte, habe ich ihm den Kaffee ins Gesicht geschüttet. So heiß, wie er war. Aber ich konnte einfach nicht mehr. Ob ich jetzt noch mein Geld für die vergangenen Wochen bekomme, weiß ich nicht.«
    Weder Proteo Laurenti noch Laura waren geübt im Umgangmit den Essstäbchen, die Urgroßmutter verlangte sofort nach Besteck, was Marco ihr anstandslos brachte. Alle außer ihr lobten das Essen mit stark asiatischem Einschlag, sättigend, aber leicht. Ingwer, frischer Koriander, Knoblauch und Frühlingszwiebeln, geröstete Sesamsamen und Chili schmeckten sie heraus, doch keiner vermochte die Hauptzutat der Vorspeise zu erraten.
    »Tagliatelle, aber zu zäh und zu kurz«, sagte die Signora Camilla trocken und stocherte in den dünnen, zwei Zentimeter langen Streifen, die wie Elfenbein schimmerten. Ihre Konsistenz war anfangs leicht knusprig und danach wie Gelatine. Ihr Geschmack war frisch wie das Meer.
    »Nein, das ist Tintenfisch«, behauptete Patrizia.
    »Egal, was es ist, mir schmeckt’s«, fügte Livia hinzu. »Also sag schon!«
    Marco lächelte zufrieden. »Nach dem nächsten Gang verrate ich es.«
    »Hamburger!«, rief Laurenti und nahm einen Bissen. »Nein, Kartoffelkuchen mit einer Füllung von dem, was du als Salat zum Entree zubereitet hast.«
    Nur Gigi schwieg, während alle sich in wilden Spekulationen ergingen und ihn schließlich aufforderten, auch einen Tipp abzugeben.
    »Ich habe das zuletzt in Hongkong gegessen«, sagte er schließlich. »Ich will Marco den Spaß nicht verderben.«
    »Proteinreich und gesund, keine gesättigten Fettsäuren, kein Cholesterin. Und direkt aus dem Meer. Es ist nur eine DNA-Sequenz vom Blattsalat entfernt, trotzdem ein Tier, doch ohne Hirn. Und seine Proteine enthalten Kollagen, gesund für Haut, Zähne und Knochen.«
    »Gigi, sag du es!«, rief Patrizia. »Bevor Marco einen Vortrag hält.«
    »Quallen! Diese weißen Lungenquallen, die der Schirokko auch zu uns in den Golf treibt.«
    Für einen Augenblick lang hatte es allen die Sprache verschlagen. Nur das Baby gluckste zufrieden in der Wiege.
    »Ab morgen bereite ich wieder das Essen zu.« Lauras Mutter erhob sich abrupt und trug unter Protest ihren halb leer gegessenen Teller hinaus, während Laurenti und Marco, Patrizia, Livia und Gigi sich vor Lachen kaum halten konnten, in das endlich auch Laura einfiel.
     
    »In Leles Wohnung hängt übrigens ein echter Courbet, wusstet ihr das?«, schloss Laurenti seinen Bericht über den Zwischenfall im Schlosspark und nippte an seinem Caffè shakerato, den Marco zum Abschluss serviert hatte: ganz schwach gesüßt und mit einer Spur echtem Sternanis verfeinert. Zuerst hatte Livia ihren Vater darum gebeten, von seinem Einsatz zu berichten, der sie den Job gekostet hatte. Und dann insistierten die anderen so lange, bis er, ganz entgegen seiner Gewohnheit, doch von der Arbeit erzählte.
    »Wow. Was ist das für ein Bild?«, fragte Laura neugierig.
    »Es hat den Titel ›Les Bouches du Timavo‹.«
    Laura lachte laut. »Ach das? Eine mickrige Fälschung, aber kein Courbet. Es wurde mir schon vor einigen Jahren angeboten.«
    »Lele behauptet, er habe Millionen dafür bezahlt, und heute sei es noch viel mehr
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