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Keine Frage des Geschmacks

Keine Frage des Geschmacks

Titel: Keine Frage des Geschmacks
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Name der Reederei »Italia Marittima« an seinem tiefblauen Rumpf. Patrizia hatte es schon von zu Hause aus in den Golf einlaufen sehen und sofort ihren Vater verständigt. Gigi war als Erster Offizier einer der fünfzehnköpfigen Besatzung, doch würde es dauern, bis das Schiff, das auf hoher See eine Reisegeschwindigkeit von fünfundzwanzig Knoten erreichte, den Lotsen an Bord nehmen und sich wie in Zeitlupe in den Hafen schieben würde, wo es von Schleppern an den Pier bugsiert wurde.
    Trotzdem hatte Patrizia mit Barbara bereits ungeduldig an der Straße auf ihren Vater gewartet. Ihre Nervosität hatte sich aufs Baby übertragen, das aus voller Kehle schrie und sich erst kurz vor der Zollschranke beruhigte. Laurenti nahm es zufrieden zur Kenntnis, so blieben ihm wenigstens Fragen erspart. Er hielt seinen Dienstausweis ans Fenster und erhielt umgehend freie Durchfahrt. Sogar am Sonntag herrschte imHafen Hochbetrieb – Ware, die sich nicht bewegte, war totes Kapital.
    Laurenti war lange nicht mehr im Freihafengebiet gewesen und verfuhr sich mehrfach, bis er endlich zum Pier im Containerterminal fand, wo die »MS EVER Miriam« soeben vertäut wurde. Fahrzeuge der Küstenwache, der Schifffahrtsagentur und einiger Versorgungsunternehmen standen in Sichtweite und warteten darauf, dass die Gangway heruntergelassen wurde. Hoch oben am Brückendeck lehnten fünf Männer, Patrizia griff zu ihrem Mobiltelefon und wählte Gigis Nummer. Er antwortete sofort und winkte, als sie ihm Laurentis Dienstwagen beschrieb. Sie stieg aus und hielt die Kleine hoch, die plötzlich glucksend lachte, als ahnte sie, dass sie in Kürze zum ersten Mal ihrem Vater begegnen sollte.
    Eine Sirene ertönte mit einem markerschütternden Klang, und Laurenti schrak zusammen. Gigi winkte heftig. Eine riesige gelbe Kranbrücke steuerte auf sie zu, der Commissario zog seine Tochter in den Wagen und startete durch. Um ein Haar hätte er einen Sattelschlepper gerammt, der zum Ladeplatz unterwegs war. Er stieß einen derben Fluch aus und suchte einen Parkplatz nahe dem Fahrzeug der Küstenwache.
    Eine halbe Stunde später stürmte Gigi die Gangway hinab, und Laurenti konnte seine Tochter nur mit Mühe daran hindern, ihm entgegenzulaufen. Erst als der Seemann nur noch drei Wagenlängen entfernt war, durfte sie aussteigen. Gigi ließ seinen Koffer fallen und rannte auf die beiden zu.
     
    Mit weißem Leinen und Blumen war der runde Tisch auf der Terrasse geschmückt, und sorgsam gefaltete Servietten lagen auf jedem Platz. Außerdem Stäbchen, wie in einem asiatischen Restaurant. Proteo Laurenti zählte sieben Gedecke und stutzte. Patrizia und Gigi waren sogleich in ihrem Zimmer verschwunden, die Urgroßmutter wiegte die kleine Barbara. Livia war im Bad.
    »Sehr schön hergerichtet, Marco. Aber ein Gedeck für das Baby?«, fragte Laurenti und klopfte seinem Sohn anerkennend auf die Schulter.
    »Mensch, Papà, der siebte Platz ist doch nicht für die Kleine. Mamma kommt zurück, sie hat das Tragflächenboot genommen und müsste jeden Augenblick eintreffen. Hat sie dir etwa nicht Bescheid gesagt?« Marco hielt seinen Joint auf dem Rücken und hoffte darauf, dass sein Vater zumindest so tat, als würde er ihn nicht bemerken.
    »Ach so«, sagte Laurenti. »Und was gibt’s eigentlich zu essen? Ich hab wirklich Hunger.«
    »Das ist ein Geheimnis. Ihr müsst raten.«
    »Deine Mutter hat gesagt, dass du tagelang zum Fischen rausgerudert bist.«
    »Kann schon sein.«
    »Ja, und mich hat er nicht in die Küche gelassen«, beschwerte sich die Signora Camilla. »Nicht einmal die Flasche für das Baby durfte ich aufwärmen. Dafür stank der Müll schrecklich nach Fischabfällen. Aber Gräten befanden sich keine darin, keine Muschelgehäuse, keine Panzer von Krustentieren. Nur eine stinkende helle Masse. Und wegwerfen musste ich das Zeug. Sogar den zweiten Kühlschrank hat er mit seinen Plastikbehältern belegt und kiloweise Meersalz verbraucht. Und außerdem raucht er immer dieses stinkende Zeug.«
    Marco verdrehte die Augen. »Sie kann es nicht ertragen, wenn sie nicht über alles Bescheid weiß«, flüsterte er seinem Vater zu. »Und kaum schnappt sie etwas auf, tratscht sie es umgehend weiter. Deshalb.«
    »Und was trinken wir?«
    »Zuerst einen Cocktail, nachher den Wein vom Karst natürlich«, sagte Marco.
     
    *
     
    »Sie haben mich rausgeworfen, diese Schweine«, sagte Livia beim Aperitif. Ihrem Lächeln zufolge war sie alles andere als unglücklich über diese
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