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Kein Tod wie der andere

Kein Tod wie der andere

Titel: Kein Tod wie der andere
Autoren: Carsten Ness
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wiederkommt. Durst und Schmerzen werden immer schlimmer. Es ist … es ist, wie lebendig begraben zu sein. Schrecklich. Das verarbeitest du dein ganzes Leben nicht mehr.«
    Auf dem Rasen wurde es gerade etwas lauter, weil die beiden Mädchen bei einem Wurfspiel gegen Mattis gesiegt hatten. Sie blickten von der höher gelegenen Terrasse hinunter, der Junge schaute hinauf, und sein Grinsen zeigte, dass er auch seinen Spaß daran hatte, Nora und Zoé einmal gewinnen zu lassen.
    Buhle wandte sich Nicole Huth-Balzer zu: »Wir hatten noch gar nicht Zeit, über Zoé zu sprechen.«
    Die junge Polizistin nickte, und Marie lehnte sich zufrieden lächelnd in ihrem Stuhl zurück.
    »Es war sehr ergreifend, ich kann das nicht anders sagen. Am Dienstagmorgen kam der Leichnam ihrer Mutter aus Mainz zurück. Sie hat lange bei ihr gesessen, auch geweint. Aber ich glaube, ich habe viel mehr geheult, heimlich natürlich. Und auch vor der Beerdigung hat sie sie unbedingt noch einmal sehen wollen und hat ihr ein … ach, Scheiße.« Die Tränen liefen ihr über die Wangen, und als ob Marie das schon geahnt hatte, hielt sie ihr ein Taschentuch hin. Nicole schniefte noch einmal und erzählte mit etwas wackeliger Stimme weiter.
    »Sie hat ihr noch ein Bild von ihrer ganzen Familie mit in den Sarg gelegt. Tja, wir hatten eigentlich gedacht, die Beerdigung im engsten Kreis abzuhalten, aber dann hat sie gesagt, dass ihre Mutter doch sehen sollte, wie viele Menschen sie lieb hatten. Ich habe mit Silvia Lenz, der Krankenschwester Martina Kootz und Claudia Hermann aus Edingen telefoniert, und die haben dann allen Bescheid gesagt.« Marie reichte ihr ein neues Taschentuch. »Es sind wirklich viele gekommen. Da, wo ihre Urne beigesetzt wurde, ist ein so schöner Platz, mitten im Wald und total ruhig. Ich glaub, ich will später … na ja, egal. Natürlich hat Zoé auch viel geweint, aber ich glaube, es war trotz … es war trotzdem gut für sie.«
    Marie beugte sich vor. »Ich hatte Zoé ja schon auf der Beerdigung ihres Vaters erlebt. Sie war diesmal anders, obwohl sie jetzt eigentlich niemanden aus ihrer Familie mehr hat. Sie war sehr traurig, aber sie hat ihre Gefühle zeigen können, das war bei ihrem Vater nicht so. Die Zeit mit Nicole hat ihr wirklich sehr gutgetan.«
    »Und was wird jetzt mit Zoé geschehen?«, fragte Buhle.
    »Wir haben sehr kompetente Pflegeeltern für sie gefunden. Barbara und Thomas Neisius aus Edingen. Sie haben schon eine neunzehnjährige Adoptivtochter und hatten auch bereits zweimal für ein paar Jahre ältere Pflegekinder. Sie ist Kunstpädagogin und als Pflegemutter gut fortgebildet. Ein absolut glücklicher Zufall ist, dass sie in dem gleichen Ortsteil leben wie Maja Hermann, Zoés beste Freundin. Sie hat so wenigsten etwas Konstanz in ihrem sozialen Umfeld, kann zum Beispiel weiter in ihre alte Schule gehen. Die Hermanns haben sogar auf ihren Sommerurlaub verzichtet, damit Maja für ihre Freundin da sein kann. Das hat sich alles insgesamt sehr gut ergeben. Wir werden sie Montagmorgen hinbringen. Morgen feiert Nora noch ihren Geburtstag, und sie wollte Zoé unbedingt dabeihaben.« Marie machte eine kleine Pause. »Aber dennoch wird sie natürlich noch viel, viel Zeit und Geduld brauchen. Bei dem, was sie durchgemacht hat.«
    »Wirst du sie weiter betreuen?«
    »Nein, ich werde sie an eine Kollegin abgeben. Aber ich denke, über Nora …«, sie schaute zu der jungen Kommissarin, »… und über Nicole werde ich mit ihr noch Kontakt halten.«
    Buhle blickte wieder zu Zoé hinunter und sah, wie die beiden Mädchen darüber zu verzagen schienen, dass sie es einfach nicht mehr schafften, gegen den drei Jahre älteren Mattis zu gewinnen.
    Als sich Christian Buhle und Nicole Huth-Balzer nach einer weiteren Stunde verabschiedeten und gehen wollten, hielt Marie den Kommissar am Ärmel zurück, während seine Kollegin zügig die Treppe hinunter und vor das Haus ging.
    »Christian?«
    »Ja?«
    Er schaute ihr in die dunklen Augen und spürte, wie eine starke Beklommenheit schlagartig von ihm Besitz ergriff.
    »Christian, meinst du nicht, dass wir uns endlich unterhalten sollten, zu zweit?« Sie betrachtete ihn in ihrer so ruhigen Art, die er immer bewunderte. »Möchtest du heute Abend auf ein Glas Wein zu mir kommen?«
    Er fühlte eine Hitzewelle nach der anderen durch seinen Körper rollen, und alle Poren schienen sich zu öffnen. Er hatte schon so häufig daran gedacht, wie wichtig es sei, mit Marie zu reden. Hatte
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