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Kein Tod wie der andere

Kein Tod wie der andere

Titel: Kein Tod wie der andere
Autoren: Carsten Ness
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hatte für die Soko Sauer ganz im Zeichen der Bearbeitung der Ermittlungsakten gestanden, während die jeweiligen Polizeiführungen und Staatsanwaltschaften auf einer großen Pressekonferenz den Erfolg der gemeinsamen Polizeiarbeit als ein Zeichen des stetigen Zusammenwachsens der Großregion gefeiert hatten. Dass immer noch nicht bekannt gewesen war, wer mit welchem Motiv die Dardennes in ihrem Haus überfallen und damit nicht unerheblich die kriminalistischen Untersuchungen beschleunigt hatte, war an dieser Stelle nicht weiter thematisiert worden.
    Das war in der Soko allerdings anders gewesen. Doch war ihre Ratlosigkeit im Laufe der Aufarbeitung des Falls nicht kleiner geworden, zumal auch die Gründe für das zwischenzeitliche Verschwinden und die nicht unerheblichen Verletzungen von Hannah Sobothy weiterhin im Dunkel geblieben waren. Die Reporterin hatte nun vorgegeben, sich an nichts mehr erinnern zu können. Nur dass sie Thill aufsuchen wollte, ihn aber nicht angetroffen habe, gab sie noch zu wissen vor. Keiner der Polizisten hatte ihr das wirklich abgenommen, auch Buhle nicht. Doch die Möglichkeit eines partiellen Gedächtnisschwunds nach einem Unfall, ihr Zustand, als man sie fand, und das Fehlen irgendwelcher Spuren, die auf etwas anderes hingewiesen hätten, hatten schließlich dazu geführt, dass die Ermittlungen in dieser Richtung zunächst ins Leere liefen.
    Als der Zwischenbericht am Freitagabend fertig war, zog Paul Gerhardts sein eigenes Resümee: »Es ist dieser falsche Ehrgeiz der Leute, der in unserer Gesellschaft immer schlimmer wird. Es zählt nur noch der Erfolg. Du musst schon in der Schule erfolgreich sein, damit was aus dir wird. Dann geht’s mit Scheuklappen in die Ausbildung, und nur schnell da durch, damit du möglichst bald voll in den Beruf einsteigen kannst. Du brauchst ein großes Haus, ein großes Auto, weite Reisen, mit denen du vor deinen Freunden prahlen kannst, am besten noch irgendwo einen Posten in einem Verein, wenn der auch was darstellt und das Gewissen beruhigt. Kinder sind hemmend oder zumindest lästig. Alte Eltern kann man dagegen leicht abschieben. Schwache werden zu Schmarotzern degradiert, Denker sind Phantasten, Träumer sind Spinner, und wer nicht Schritt halten kann oder will, gilt als Versager.«
    Gerhardts war sonst die Ruhe in Person, doch Buhle wusste, dass er ein äußerst kritischer Zeitgeist war und sich jetzt in Rage geredet hatte.
    »Es zählt nur noch, wer auf der Karriereleiter oder der Gehaltsliste ganz oben ist. Worin liegt denn die Tragödie der Familie Altmüller begründet? In diesem ungebremsten Ehrgeiz des Vaters, ein großer Journalist werden zu müssen. Und genauso bei Dardenne, der unbedingt ein großer Wissenschaftler sein wollte. Und wenn der Erfolg sich nicht von allein einstellt, dann wird er erzwungen. Altmüller wollte sicher nie seine Tochter gefährden, er hat sie geliebt. Und Dardenne sicher auch nie einen Menschen töten. Dennoch ist beides geschehen.«
    * * *
    Christian Buhle hatte sich gefreut, als Marie Steyn ihn und Nicole Samstagmorgen zum Frühstück eingeladen hatte. Die Soko hatte zuvor beschlossen, den Tag freizumachen und sich erst am Sonntag nach dem Mittag wieder zu treffen. Die Kinder waren an diesem schönen Vormittag mit dem Essen rasch fertig und zum Spielen in den Garten gegangen. Als die drei Erwachsenen allein am Tisch auf der Terrasse saßen, fragte Marie: »Wie geht es jetzt der Exgeliebten von Zoés Vater?«
    »Nanette Bonitzer? Ich habe gestern Abend im Krankenhaus angerufen: besser, aber lange noch nicht gut. Sie hat dreieinhalb Tage gefesselt auf dem Boden gelegen, nichts getrunken, ihr Körper war völlig dehydriert. Als wir sie gefunden haben, konnte sie sich kaum bewegen, nicht reden, hatte sehr starke Schmerzen. Die Ärzte haben gemeint, dass es nur noch eine Frage von Stunden gewesen war, bevor sie qualvoll gestorben wäre. Die sofortigen Infusionen haben dann zumindest die wichtigsten Körperfunktionen relativ rasch wieder stabilisiert. Sie scheint keine Spätfolgen befürchten zu müssen. Dennoch wird sie eine Weile stationär behandelt werden.«
    »Hast du mit ihr gesprochen?«
    »Ja, gestern. Aber nur ein paar Minuten, in denen sie kurz bestätigt hat, was geschehen ist. Sie tut mir wirklich leid. Ich hoffe, dass sie irgendwann einmal darüber hinwegkommt.«
    »Ich fürchte nein. Du musst dir mal vorstellen: Spätestens nach ein, zwei Tagen rechnest du damit, dass dein Entführer nicht
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