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Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung
Autoren: T Wolf
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Vorurteilen, und du wirst schon sehen, wie einfach alles ist, wenn man den alten Müll, den ganzen Ballast erst mal über Bord gekippt hat.« Sie sah sich im Raum um. »Es hat seine Gründe, warum hier Porzellankatzen in den Regalen sitzen und keine Kinder. Ich bin sicher die Letzte, die dich überreden wird, schwanger zu werden. Ich kann dir nur sagen, was ich sehe.«
    »Und was siehst du?«
    Sie lächelte. »Das erzähle ich dir beim nächsten Mal. Du hältst mich ja eh schon für verrückt.«
    Allerdings.
    *
    Bald darauf zeigte ich erste Anzeichen für Altersvergesslichkeit. Ich suchte das Rezept für meine Pille. Dass ich eines besaß, war alles, was ich noch wusste. Wo es lag, konnte ich leider nicht mehr sagen.
    Es war Mitte Januar.
    Draußen sorgte eine Unmenge Schnee für Chaos, und drinnen wühlte ich mich durch das Chaos meines Schreibtisches.
    Es war weg. Einfach nicht auffindbar. Normalerweise forderte ich immer schon ein neues Rezept an, wenn ich die letzte Packung bis zur Hälfte aufgebraucht hatte. Normalerweise. Das hatte ich doch dieses Mal auch getan. Oder?
    Es war Freitagnachmittag. Eine Stunde lang würde die Praxis vielleicht noch geöffnet sein. Ich suchte weiter. Morgen früh musste ich mit der neuen Packung anfangen. Das gab es doch gar nicht.
    Die Apothekerin kannte mich, sie würde vielleicht auch ein Auge zudrücken, und ich könnte das Rezept nachreichen. Wie lange hatte die Apotheke überhaupt auf? Im Flur, in meiner Tasche, auf meinem Schreibtisch – nichts. Zumindest kein kleiner rosa Zettel.
    Ich griff zum Hörer und wählte die Nummer meiner Frauenärztin.
    Es klingelte.
    Irgendwann hörte das Klingeln auf, und ich hörte Musik , vermutlich Café del Mar. Ich nahm das Telefon und setzte mich aufs Bett. Dann war das Lied zu Ende, und es erklangen Walgesänge. Ich schlief gleich ein.
    Mein Blick wanderte zum offenen Kleiderschrank, in den ich gerade frische Wäsche einsortiert hatte. Da lag er, der Strampler. Ich erkannte ihn an der Farbe. Sand. Wie oft hatte ich ihn in den letzten Wochen heimlich rausgeholt und betrachtet?
    Gerade als ich auflegen wollte, nahm eine der Arzthelferinnen ab. »Gemeinschaftspraxis Dr. Wolfram und Bieber, Herz, Guten Tag. Was kann ich für Sie tun?«
    Ich wollte etwas sagen, tat es aber nicht.
    »Hallo?«
    »Ja«, antwortete ich knapp.
    »Wer ist denn da?«
    Ich holte Luft. »Charly … ähm … Charlotte Schönberg.«
    »Und Ihr Geburtsdatum, bitte.«
    »Mein Geburtstag? Das ist der 19.6.1974«
    1974. Oh Gott. Jung ist etwas anderes. Es würde nicht mehr lange dauern, und ich würde meinen 40. Geburtstag feiern! Vierzig. Hilfe!
    Mir fiel ein, was Birgit gesagt hatte. »Die Zeit ist demnächst abgelaufen!«
    »Danke, dann hole ich mal kurz Ihre Akte, Frau Schönberg«, sagte die Sprechstundengehilfin und legte den Hörer weg.
    Plötzlich hörte ich Michas Stimme: »Mir war immer klar, dass ich eines Tages Kinder haben werde! Daran hab ich nie gezweifelt.«
    Der Hörer wurde wieder aufgenommen.
    »So, da habe ich sie. Und was kann ich für Sie tun, Frau Schönberg?«
    Mir kam Karlotta in den Sinn, Rosa, die meinen Finger nicht mehr loslassen wollte, ich dachte an den Strampler …
    »Frau Schönberg, sind Sie noch dran? Was kann ich denn für Sie tun?«
    »Ja, sorry. Ich … ich glaube, es hat sich gerade erledigt.«
    »Aha …«
    »Ja, ich brauche nichts.« Ich fing an zu lachen. »Danke. Und einen schönen Feierabend noch.«
    Ich legte auf.
    In dieser Sekunde überkam mich ein Lachanfall, als hätte ich frisches Gras geraucht. In der Pfeife, versteht sich, ohne Tabak. Hatte ich allerdings nicht.
    Hätte mich in diesem Moment jemand gesehen, oder wäre es irgendwo im Café oder besser noch mitten in der Fußgängerzone passiert, jemand hätte vermutlich einen Arzt gerufen. Zu Recht.
    Erst war es nur ein Prusten, das mir wenigstens erlaubte, alle paar Sekunden Luft zu holen. Aber das war nur der Anfang. Ich lachte Tränen, rutschte vom Sofa, während ich spürte, wie sich mein Mascara verflüssigte und Richtung Kinn lief. Vor Bauchschmerzen krabbelte ich in den Vierfüßlerstand und landete schließlich japsend wieder in der Hocke, weil ich zu ersticken drohte.
    Ich versuchte, die Situation durch einigermaßen regelmäßiges Ein- und Ausatmen wieder in den Griff zu bekommen, aber es war nichts zu machen. Ich befand mich im Ausnahmezustand.

EPILOG
    Ich hatte mich seit Tagen auf dieses Treffen gefreut. Nicht nur weil es hieß, die Zeit würde schneller
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