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Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung
Autoren: T Wolf
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sie sah sich um, »und an denen da konnte ich auch nicht vorbeigehen.«
    Sie goss uns Wasser aus einem Glaskrug, der auf dem Tisch stand, in zwei Gläser mit Zitronenscheiben.
    »So, und nun zu dir.«
    Sie griff sich in die Seitentasche ihrer Strickjacke und holte ein Set Karten raus, legte den Stapel vor sich hin und strich den Haufen mit der Hand glatt, sodass die Karten wie ein Fächer vor ihr lagen.
    »Zieh eine Karte«, sagte sie und sah mich an.
    Ohne nachzudenken zog ich eine Karte, die sich genau in der Mitte befand. Sie nahm mir die Karte ab, drehte sie um und legte sie auf den Tisch.
    »Aha, hab ich mir doch gleich gedacht.«
    »Was denn?«, fragte ich neugierig. Nicht dass ich an diesen Humbug glaubte …
    »Es geht um eine Entscheidung.«
    »Bitte?«
    »Warum bist du so überrascht? Deshalb bist du doch zu mir gekommen, oder etwa nicht?«, sagte sie und lächelte so wissend, dass ich mich nicht mehr wohlfühlte.
    »Diese Karte wurde früher ›Die Entscheidung‹ genannt. Heute heißt sie ›Die Liebenden‹. Es geht um die Absage an die bisherige Lebensform und das Bekenntnis zu der einen Liebe. Was auch immer deine Frage ist, diese Karte bedeutet das große, vorbehaltlose Ja.«
    Zufall, nichts als reiner Zufall. Sie würde mir vermutlich zu jeder Karte irgendetwas sagen, was gerade passen könnte. Und dafür sollte ich fünfzig Euro zahlen.
    »Du hast es weit gebracht. Mit dem Job bist du einigermaßen zufrieden. Klar, den hast du dir ja auch genau so bestellt. Dein Partner, ja, der ist ein Teil dieser großen Liebe, zu ihm hast du schon Ja gesagt, ohne Vorbehalte, aber es gibt etwas, was mit dieser Liebe zusammenhängt, und du …«, sie drehte Karte für Karte in einer nicht nachvollziehbaren Reihenfolge um, »musst dich nicht nur entscheiden, du musst dir auch überlegen, warum dir diese Entscheidung so schwerfällt.«
    Sie schob alle Karten zusammen und machte wieder einen Haufen daraus. Dann saß sie einfach nur da und sah mich an. Ich war kurz davor ihrem Blick auszuweichen, schaffte es aber doch, mich an ihrem rechten Auge festzusaugen.
    »Ach, es geht um Kinder«, unterbrach sie die Stille, und ich war mir in diesem Moment sicher, dass sie einen Knopf im Ohr hatte, über den sie all diese Information erhielt. Absurd.
    »Kinder sind ein Geschenk. Warum hast du Angst davor? Oder ist es keine Angst?« Sie betrachtete mich, als läge die Antwort wie ein Schleier über meinem Gesicht. »Ist es Eifersucht?« Sie atmete schwer ein und aus. »Du glaubst, er könnte dich nur wollen, wenn du ein Kind willst? Da kennst du ihn aber schlecht.« Das Fräulein sprang ihr auf den Schoß.
    Sobald ich hier raus war, würde ich Birgit anrufen. Was fiel ihr ein, einer wildfremden Frau meine intimsten Probleme zu stecken? Vermutlich hatte sie ihr sogar Geld gegeben. Bestechung!
    Vermutlich war Marlene in Wahrheit die Putzfrau von Birgit, die in ihrem gesamten Leben noch kein einziges Mal Karten gelegt und den Auftrag bekommen hatte, mir mal den Kopf zu waschen, damit Birgit nicht alleine den Kinderwagen um die Alster schieben musste. Mit Becherhalter und integrierten Handschuhen an der Stange. Na warte, wenn ich die erwische.
    Marlene strich der Katze über den Rücken, die dankbar schnurrte.
    »Er liebt dich. Er würde auch bei dir bleiben, wenn du dich nicht für ein Kind entscheiden würdest, denn er hat sich schon entschieden. Für dich!«
    »Und das steht alles in den Karten?«, fragte ich argwöhnisch.
    »Quatsch, natürlich nicht. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich aus diesen Karten irgendetwas ablesen kann.«
    Wusste ich es doch!
    »Die lege ich den Leuten immer nur hin, damit sie was Buntes zum Angucken haben.«
    Jetzt verstand ich gar nichts mehr.
    »Ich kann auch meine Glaskugel rausholen, wenn du willst.« Sie stand lachend auf, ging zum Regal, bückte sich und holte eine Glaskugel raus, die sie zwischen uns auf den Tisch stellte. »Für ganz schwierige Fälle«, sagte sie und hielt sich den Bauch vor Lachen. »Den ganzen Humbug brauche ich nicht. Ich sehe den Leuten alles an, die brauchen nicht einmal mit mir zu reden.«
    »Wie geht das?«
    »Wenn ich das wüsste. Keine Ahnung. Es ist einfach so.« Sie nahm einen Schluck Wasser. »So eine Fähigkeit hat nicht nur Vorteile. Es gibt auch eine ganze Menge, was ich lieber nicht wissen will, aber ich sehe es … Das ist nicht immer schön, das kannst du mir glauben.« Sie trank noch einen Schluck. »Und nun mach dich mal frei von deinen ganzen
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