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Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung
Autoren: T Wolf
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ich keine Wetter-App.
    Jowi war keine Freundin von Digitalfotos und E-Mails, daher hatte ich bisher kein Foto erhalten. Und eine Filmentwicklung dauerte in Mönkeberg anscheinend etwas länger als in Hamburg.
    Aber nun war es da, das Bild meiner wunderbaren Waltraud inmitten ihrer Wollknäuel, die nichts von der Idee hielten, still zu sitzen und zur Kamera zu gucken. Bei ihrem Anblick bildete ich mir ein, ernst zu nehmende Symptome für einen kalten Entzug zu zeigen.
    Auf einen Vaterschaftstest konnten wir jedenfalls getrost verzichten. Es war klar wie Klößchenbrühe. Wie auch immer er es hinbekommen hatte, Hugo war fremdgegangen!
    Das interessierte seine Kinder nicht. Zwei schliefen – übereinander –, einer schien einen harten Kampf mit dem Schwanz seines Geschwisterchens auszufechten, und von einem sah man nur das Hinterteil. Das Vorderteil hatte vor dem Auslösen beschlossen, den Korb zu verlassen.
    Es fehlten also zwei. Ich war etwas beunruhigt und wollte gleich anrufen und nachfragen. Oder war das übertrieben? Mmh …
    Die Kleinen waren – Waltrauds Genen sei Dank – unfassbar süß! Okay, die Beinlänge und vor allem die Beinform verrieten, woher der Rest stammte … aber diese Augen! Treudoof wie die Mama. Lediglich einer von der ganzen Rasselbande – zumindest von dem Teil, den ich auf dem Bild sehen konnte – hatte den berühmten Glupschaugen-Froschblick des Vaters.
    Was soll’s? In jeder Familie gab es Kinder, die so aussahen, dass nur eine Mutter sie lieben konnte.
    Ich nahm das Foto und suchte einen passenden Rahmen. Dann stellte ich das Bild auf den Couchtisch.
    Da sich doch tatsächlich mehrere Menschen an uns erinnert hatten, obwohl wir so treulose Tomaten waren, lag ein ganzer Stoß Weihnachtskarten auf dem Sideboard.
    Ich spannte eine Schnur quer durch den Flur und befestigte alle Karten mit Holzwäscheklammern daran. Einen Weihnachtswunsch konnte ich allerdings nicht dort aufhängen. Es war der von Anni, die mich anrief, um mit mir über den 24. Dezember zu sprechen, den wir alle gemeinsam bei ihren Eltern im Haus feiern wollten.
    Als ich gerade dachte, jetzt hätten wir alle W-Fragen geklärt (wer wem was schenkt, wann es losgeht und wann wir was essen), kam sie auf ein anderes Ereignis zu sprechen und klang plötzlich noch feierlicher als eh schon.
    »Also, wir – Conrad und ich – haben uns Gedanken gemacht über die Taufe von Rosa, im Januar.«
    Das ist schön, dachte ich – aber meine Meinung änderte sich schnell, als sie weitersprach.
    »Und da sind wir zu dem Entschluss gekommen, dich zu fragen, ob du nicht Patin werden möchtest. Micha ist ja schon Pate von unserem Großen, und da ihr ja noch keine Kinder habt, dachten wir uns, das wäre doch ganz schön. Was meinst du?«
    Ja, was meinte ich? Eine Frage, für die ich gern den Telefonjoker gewählt hätte, um Marlene anzurufen.
    Da fiel mir die Antwort ein.
    »Oh, das ist sehr nett, ich bin nur gar nicht in der Kirche, von daher wird das vermutlich leider nichts.« Puh.
    »Ach, das ist sicher kein Problem. Nils, Conrads Freund, der auch Pate wird, ist hier in unserer Gemeinde aktiv, und meiner Meinung nach reicht es, wenn einer von beiden in der Kirche ist.«
    »Ja, dann … dann mache ich das natürlich gern«, log ich.
    Ich war zweimal in meinem Leben in einer Kirche gewesen. Einmal im Bauch meiner Mutter, als sie kurz vor meiner Geburt heiratete, und einmal bei der Beerdigung meines Vaters fünf Jahre später. Und das Einzige, woran ich mich noch erinnern konnte, war mein Onkel Manfred, der im langen schwarzen Regenmantel vor der Kirchentür stand und von allen möglichen Leuten die Hand geschüttelt bekam, weil sie dachten, er wäre der Pastor.
    Patin. Ich. Was für eine merkwürdige Vorstellung. Und überhaupt: Wie waren sie ausgerechnet auf mich gekommen? Völlig absurd. Weil Micha der Patenonkel von ihrem Sohn war? War das ein Grund? Wir kannten uns doch kaum. Also, Anni und ich. Woher wollte sie wissen, dass ich die Richtige für diesen Job war? Und was bedeutete das denn überhaupt, Patin zu sein? Ich hatte doch gar keinen Eignungstest absolviert. Und woher wollte sie wissen, dass Micha und ich ein Leben lang zusammenbleiben würden? Wusste sie etwas, was ich nicht wusste? Oder hatte sie sich gedacht, wo ich doch kein Kind habe, da … aus Mitleid?
    Vielleicht war es ja wirklich eine ganz gute Idee. Je länger ich darüber nachdachte, umso mehr Gefallen fand ich an dem Gedanken, ein Kind zum Ausprobieren zu haben, das
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