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Kein Erbarmen

Kein Erbarmen

Titel: Kein Erbarmen
Autoren: Gerold , Haenel
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sie Damaschke wirklich trauen konnten, aber er hoffte inständig, dass er nicht gelogen hatte, als er behauptete, Sommerfeld sei am Leben.
    »Können wir vielleicht auch irgendwas …«, setzte Güngör an, als hätten sie und Janin etwas gutzumachen.
    »Wenn ja, melde ich mich über Handy«, sagte Tabori nur und war schon fast an der Tür, als er auf der anderen Seite den Schatten hinter der Milchglasscheibe sah. Unwillkürlich fuhr er zurück, gleich darauf klopfte es, undeutlich konnte Tabori ein Gesicht ausmachen, das durch die Scheibe zu spähen versuchte. Hinter sich hörte er Lepcke in den Flur kommen. Tabori hob warnend die Hand und machte die Tür auf.

28
    Tabori saß direkt am Fenster, vor ihm standen eine Kanne Kaffee und ein Teller mit einem Stück von Elsbets hausgemachter Walnusstorte, das er aber bisher noch nicht angerührt hatte. Elsbet warf ihm vom Empfangstresen aus immer wieder einen kurzen Blick zu, sagte aber nichts, auch nicht, als er sich die dritte oder vierte Zigarette hintereinander anzündete und den Rauch an die Decke blies. Der Gastraum war leer, bis auf ein älteres Ehepaar in der Ecke am Kuchenbuffet. Die Frau hustete demonstrativ, um ihn darauf aufmerksam zu machen, dass auch in dänischen Restaurants mittlerweile das Rauchen verboten war.
    Elsbet hatte einen neuen Dackel, den sie ihm vorgestellt hatte, als er am späten Nachmittag unerwartet in ihr Hotel gestolpert kam.
    »Es heißt Margarethe«, hatte sie gesagt. »Wie die Königin. Es ist ein kleines Mädchen.«
    Margarethe hatte offensichtlich den Gang zwischen den Tischen zu ihrer privaten Rennstrecke erklärt, krummbeinig und mit fliegenden Ohren rannte sie begeistert von einem Ende zum anderen und rutschte jedes Mal, bevor sie wieder wenden musste, die letzten Meter auf dem Hintern über den glatten Holzboden. Die beiden älteren Damen versuchten, sie an ihren Tisch zu locken. Margarethe hockte sich hin und hinterließ eine kleine Pfütze, bevor sie sich schwanzwedelnd wieder auf den Weg zurück zu Taboris Tisch machte. Elsbetkam mit einem Lappen, um die Hinterlassenschaft des kurzen Boxenstopps aufzuwischen.
    Über dem Meer braute sich eine dichte Wolkenwand zusammen. Der Wind hatte aufgefrischt, weit draußen waren bereits vereinzelte Schaumkronen auf dem Wasser zu sehen, während die Wellen, die den Strand erreichten, noch kraftlos ins Leere liefen.
    Tabori nahm jetzt doch ein Stück von dem Kuchen, aber er schmeckte kaum etwas, die Sahnecreme klebte unangenehm an seinem Gaumen, seine Zunge fühlte sich pelzig an.
    Er überlegte, ob er kurz in sein Zimmer gehen und sich die Zähne putzen sollte, konnte sich aber nicht aufraffen, den Tisch zu verlassen. Er hatte für Lepcke und sich jeweils ein Zimmer für eine Nacht bestellt, als er Elsbet um ein weiteres Zimmer für Janin und Güngör gebeten hatte, war ihr Blick deutlich genug gewesen, fast hatte Tabori damit gerechnet, dass sie ihn darauf hinweisen würde, dass ihr Hotel keine Absteige war. Taboris Erklärung – »zwei Kolleginnen, die zufällig hier oben sind und erst morgen zurückfahren« – hatte die Sache nicht unbedingt besser gemacht.
    Er hatte auch Sommerfeld gefragt, ob er nicht über Nacht noch bleiben wollte, um erstmal ein paar Stunden in Ruhe zu schlafen, aber Sommerfeld hatte sich nur an die Stirn getippt und irgendetwas davon geknurrt, dass sein Bedarf an Dünen und Strand für die nächsten Jahre vollkommen gedeckt wäre. »Und das gilt genauso auch für dich und Lepcke«, hatte er noch hinzugesetzt, »glaub mir, Tabori, ich hab die Nase gestrichen voll von euren Aktionen und bin froh, wenn ich euch erstmal nicht mehr sehen muss.« Damit war er in sein Auto gestiegen und ohne ein weiteres Wort gefahren.
    Sie hatten ihn in dem Bunker oben an der Klippe gefunden, Tabori und der eine der beiden dänischen Polizisten. Der Jüngere, Ulrik. Der andere hieß Kai. Der Ältere, der plötzlich vor der Tür des Ferienhauses gestanden hatte und im Gegensatz zu Tabori noch nicht mal überrascht gewesen war, ihn zu sehen. Er und sein Kollege hatten den Passat in der Einfahrt entdeckt – und sich an den Polizisten aus Deutschland erinnert, den sie vor kurzem im Wald angehalten hatten. Dass das Auto des deutschen Kollegen jetzt mit einer Reihe anderer Wagen – und alle mit hannoverschem Kennzeichen, einer außerdem mit eingeschlagener Seitenscheibe – vor einem Ferienhaus stand, obwohl der Kollege doch behauptet hatte, alleine zu sein, war ihnen zumindest so
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