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Kein Erbarmen

Kein Erbarmen

Titel: Kein Erbarmen
Autoren: Gerold , Haenel
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den schlafenden Dackel zu seinen Füßen.
    Lepcke folgte seinem Blick. »Niedlich«, stellte er fest.»Habe ich gar nicht gesehen eben. Gehört der zum Hotel oder was?«
    »Sie«, korrigierte Tabori automatisch. »Sie heißt Margarethe, wie die Königin.«
    »Verstehe. – Aber was ist jetzt eigentlich? Mit dir, meine ich. Wir beide sind ein gutes Team, immer noch. Könntest du dir nicht vorstellen … Also, ich denke schon, dass es Möglichkeiten gäbe, wieder einzusteigen. Wir sind chronisch unterbesetzt, das weißt du ja. Wir suchen händeringend Leute.«
    »Gib dir keine Mühe, ich bin draußen, lassen wir es dabei.«
    »Schade«, sagte Lepcke. »Aber da ist ohnehin noch was, worüber ich mit dir reden muss. Diese andere Geschichte da mit dem Netzwerk, das sie sich aufgebaut haben, ich meine, wir sind da nun mal drüber gestolpert, wir können jetzt nicht einfach so tun, als ob …« Lepcke stieß die Luft aus und beugte sich vor. »Wir wissen, das Respekt nur eine Randfigur war und sonst nichts weiter damit zu tun hatte, aber das müssen wir ja niemanden erzählen, verstehst du? Eine Pressekonferenz wird es sowieso geben, also brauche ich doch nur zu behaupten, ich hätte Beweise, dass Respekt in irgendwelche Machenschaften verstrickt war, die bis ganz nach oben reichen. Was meinst du, wie die Presse sich auf so was stürzen wird!«
    Tabori winkte ab.
    »Du hast die Dimension immer noch nicht begriffen. Sie werden nichts darüber berichten, die Sache ist viel zu heikel. Die Zeitungen werden es kaum riskieren wollen, sich mit den Leuten anzulegen, von denen wir hier reden. Die Zeiten sind vorbei, in denen so was möglich war.«
    Lepcke schwieg einen Moment, er schien nachzudenken.
    Tabori spürte, wie sich sein Magen wieder meldete. Er hatte zu wenig gegessen und zu viel Kaffee getrunken.
    »Glaubst du wirklich, dass sich dieser Heinisch wegen der ganzen Sache noch mal bei dir melden wird?«
    »Nein. Aber ich weiß ja noch nicht mal, ob er überhaupt …«
    Tabori ließ das Ende des Satzes offen und zuckte nur mit den Schultern. Sein Magen zog sich zu einem Krampf zusammen. Er schluckte mehrmals, ohne dass es besser wurde.
    »Na gut«, sagte Lepcke. Er klang resigniert. »Aber eine Sache werde ich in jedem Fall machen.«
    Tabori blickte fragend hoch.
    »Ich werde mich bei diesem Verein da melden, bei den kritischen Polizisten, hätte ich schon längst machen sollen. Und wenn sie wirklich versuchen sollten, mich auf irgendeinen Schreibtischposten zu versetzen«, setzte er hinzu, »dann wollen wir doch erstmal sehen. So leicht mache ich es ihnen jedenfalls nicht.«
    Tabori nickte. Lepckes Entschluss schien ihm nur konsequent zu sein, jemanden wie Lepcke konnten sie bei der Bundesarbeitsgemeinschaft sicher gebrauchen.
    »Sprich noch mal mit dem Vater von Anna darüber«, sagte er. »Ich denke, das wäre sinnvoll, ich hatte das Gefühl, der Mann hat wirklich was zu sagen. Warte, er hat mir seine Adresse gegeben, ich muss sie noch in der Jacke haben.«
    Tabori griff in die Innentasche seiner Lederjacke. Er hatte die dumme Angewohnheit, alle möglichen Eintrittskarten oder Handzettel erstmal in seine Jacke zu schieben, um den Stapel dann alle paar Monate, ohne ihn noch mal durchzusehen, in den Papierkorb zu entsorgen. Auch jetzt war dieSammlung bereits wieder beachtlich geworden, er legte den Stapel vor sich auf den Tisch, zwei Karten für ein Konzert von Konstantin Wecker, auf dem er mit Lisa gewesen war und das ihn eher gelangweilt hatte, obwohl er Wecker eigentlich für musikalisch und inhaltlich respektabel hielt, ein Aufruf zu einer Demonstration gegen Atomkraft, ein Programmzettel einer freien Theatergruppe, die ein Stück von Dario Fo gespielt hatte, dann die Visitenkarte, »hier, das ist es!«
    Er schob die Karte des früheren Polizeiobermeisters zu Lepcke hinüber. Im gleichen Moment fiel sein Blick auf den Brief, der unter der Karte lag. Er brauchte noch nicht mal die Handschrift auf dem Umschlag zu lesen, um sofort die Situation wieder vor Augen zu haben, wie er von der Terrasse hoch in sein Zimmer gekommen war und den Brief hinter der Tür gefunden hatte. Aber diesmal funktionierte die Erinnerung, wie bei einem Film sah er die Bilder in der richtigen Reihenfolge vor sich: Er hatte den Brief hochgenommen, er hatte den Umschlag mit dem Finger aufreißen wollen, das Handy hatte geklingelt, die Verbindung war nach den ersten Sätzen wieder abgebrochen, er hatte entschieden, Lepcke sofort übers Festnetz
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