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Zwölf tödliche Gaben 7: Sieben schwimmende Schwäne

Zwölf tödliche Gaben 7: Sieben schwimmende Schwäne

Titel: Zwölf tödliche Gaben 7: Sieben schwimmende Schwäne
Autoren: Stuart MacBride
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Sieben schwimmende Schwäne
    Der Himmel glänzt rosig im Schein der späten Morgendämmerung: Viertel nach neun an einem kalten Dezembertag, und die Luft ist frisch. Normalerweise würden sie zum Rudersee im Montgomery Park gehen, aber heute ist ein besonderer Tag: Heute fahren sie über den Fluss.
    Ausgelassenes Kreischen und Kichern hallt über das dunkle, träge Wasser, als die kleine Flotte von Ruderbooten von Dundas House ablegt. Die Mädchen sind laut und übermütig – ganz aufgedreht, weil sie die Regionalausscheidung gewonnen haben und zur schottischen U15-Meisterschaft nach Edinburgh fahren dürfen. Das ist ihr Tag, und sie werden ihn in vollen Zügen genießen.
    »Entschuldigen Sie, Sir.« Es ist Sarah Morrison: Brustschwimmen, hoch aufgeschossen und schlaksig, mit langen roten Haaren und einem Teint wie ausgebleichte Knochen; mit ihren knapp zwölf Jahren an der Schwelle vom selbstbewussten kleinen Mädchen zum schüchternen Teenager. »Werden wir lange auf der Bellows-Insel sein?«
    James Kirkhill blickt sich zu der Insel in der Mitte des Flusses um, die die Form einer riesigen Nacktschnecke hat. Zwei alte, verfallene Gebäude stehen zwischen Felsen und Gras herum und brüten stumm vor sich hin. Trauern um ihre verschwundenen Bewohner. Auf dem ausgeblichenen blau-weißen Schild heißt es immer noch » MACANDREW’S SANATORIUM «, aber seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist hier niemand mehr behandelt worden. »So etwa vier Stunden – reichlich Zeit, um ein paar Skizzen zu zeichnen oder Fotos zu machen …« Er stößt den Korb an, der zu seinen Füßen steht. »Und für ein Picknick am Mittag. Wieso?«
    »Ach …« Sie errötet und wendet den Blick ab. »Wollt’s einfach nur wissen.«
    James zwinkert ihr verschmitzt zu, dabei könnte er ihr Großvater sein. »Du musst rechtzeitig zurück sein, weil du ein heißes Date hast, geht es darum?«, fragt er. »Wer ist denn der Glückliche?«
    Sarahs Kopf sieht aus, als müsse er jeden Moment vor Verlegenheit explodieren. Die beiden anderen Mädchen im Boot lachen. Sie murmelt etwas und legt sich mit verdoppelter Anstrengung in die Riemen. Die Ruderblätter durchschneiden die Wasserfläche. Danielle, die neben ihr sitzt, betrachtet das als Herausforderung und hält Zug um Zug mit ihr mit.
    »Nicht so schnell, Mädels, nicht so schnell …« James hebt die Hände und grinst. »Wenn ihr so weitermacht, landen wir noch in Norwegen. Die anderen kommen ja gar nicht nach.«
    Danielle. Man sieht die Goldmedaille schon um ihren Hals hängen. Allseits beliebt, frühreif, freundlich, attraktiv, intelligent, aufgeschlossen, und eine Wahnsinnsschwimmerin. Wenn man ihr noch vier Jahre Zeit lässt, wird nichts und niemand sie mehr aufhalten können. Die ganze Welt steht Danielle offen. Sie ist ein Star.
    Eine halbe Stunde später machen sie am alten Anleger fest, klettern die Steinstufen hinauf und laufen kreuz und quer über die Insel.
    James holt tief Luft und formt seine Hände zu einem Megafon. »Seid vorsichtig. Geschwommen wird nicht, und achtet drauf, dass immer jemand in eurer Nähe ist!« Seine Worte verhallen ungehört zwischen den Mauern der leerstehenden Gebäude. »Ich meine es ernst!«
    James schlingt den Schal fest um seinen Hals und macht sich auf zu einem flotten Spaziergang rund um die Insel, um sich warm zu halten. Schließlich findet er ein Fleckchen auf der windabgewandten Seite des Personalflügels, wo die Morgensonne den Reif auf dem Gras weggeschmolzen hat. Es leuchtet sattgrün wie …
    »Und waren Sie zu diesem Zeitpunkt allein?«
    James Kirkhill blickte vom Tisch auf und blinzelte. Als versuchte er sich zu erinnern, wo er war. Vernehmungsraum 6 war im alten Teil des Polizeipräsidiums: abblätternde Farbe, fleckiger Teppichboden, zerkratzter Tisch und knarrende Plastikstühle. Ein Nachtspeicherofen tickte in der Ecke vor sich hin und erfüllte die Luft mit dem Geruch nach verbranntem Staub, zu dem DI George »Stinky« McClain noch den Mief von ungewaschenen Achselhöhlen beisteuerte. Er konnte nichts dafür. Es war so eine Drüsengeschichte. Aber James Arnold Kirkhill schien nichts davon zu bemerken; er saß nur da und starrte die Tischplatte an.
    Er war Englischlehrer an der Kingsmeath Secondary: Mitte fünfzig, leichtes Übergewicht, schicke ovale Brille und tiefe dunkelblaue Ringe unter den Augen. Wirre graue Haare und ein Zwölf-Stunden-Schatten am Kinn.
    Wenigstens hatte er aufgehört zu weinen. Laut dem DS , der ihn nach dem Unfall
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