Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Erbarmen

Kein Erbarmen

Titel: Kein Erbarmen
Autoren: Gerold , Haenel
Vom Netzwerk:
wir haben keinen Abschiedsbrief gefunden, bisher jedenfalls nicht, aber das muss nichts bedeuten, das weißt du selber, wir haben genug Beispiele, in denen es ebenfalls keinen Brief gab.«
    »Aber du hast trotzdem Zweifel, dass es wirklich Selbstmord war?«
    »Ich weiß es nicht. Ich habe auch nicht wirklich irgendeinen Hinweis, der etwas anderes nahe legen würde. Deshalbbrauche ich möglichst schnell genaue Angaben, welche Wunden zu welchem Zeitpunkt …«
    Bohnenkamp hob genervt die Hände, sparte sich aber die erneute Erwiderung, dass er hoffnungslos überlastet war.
    »Ich sehe noch nicht die Verbindung zwischen den beiden«, sagte Tabori. »Habt ihr wenigstens einen Namen, wisst ihr, wer die beiden sind, hatten sie etwas miteinander zu tun, gibt es doch irgendwo einen Abschiedsbrief von der jungen Frau? Aber du weißt selber, wonach du suchen musst, also was soll ich überhaupt bei der ganzen Sache?«
    »Das würde mich allerdings auch interessieren«, kam es prompt von Bohnenkamp.
    »Okay, dann fasse ich mal zusammen …«
    Lepcke zeigte auf die männliche Leiche.
    »Oberkommissar Ingo Joschonick, 52 Jahre, Ausbilder in der Abteilung Spür- und Schutzhunde. Im letzten Monat gab es eine Untersuchung aufgrund anonymer Anschuldigungen, die sich aber als haltlos erwiesen. Allgemein galt Joschonick als beliebt und guter Kumpel, der auch mal alle Fünfe gerade lassen sein konnte …«
    »Allerdings nur, solange man ihm den verlangten Respekt zollte, nehme ich an.«
    Tabori zeigte auf die Tätowierung am Oberarm.
    »Hör auf«, sagte Lepcke. »Du weißt doch, wie die Hundeleute sind, interpretier da nicht gleich wieder irgendwas rein. Er war Hundeführer, Mann, Respekt vorm Rudelchef, ganz einfach. Mehr hat das nicht zu bedeuten.«
    »Und weil der Schutzhund als solcher durchaus zu faschistoiden Tendenzen neigt, macht es Sinn, wenn man dann für die Tätowierung altgotische Buchstaben benutzt, logisch.«
    »Spar dir deine Ironie! Ich weiß schon, warum ich manchmal dankbar bin, dass ich dich nicht mehr am Hacken habe …«
    »Ich auch«, erklärte Bohnenkamp ungefragt mit deutlich hämischem Unterton.
    »Du hast mich hierher bestellt, vergiss das nicht«, erinnerte Tabori.
    Lepcke hob die Hände.
    »Okay, okay, stimmt. Also weiter!« Er wendete sich wieder zu dem Leichnam. »Gestern Nachmittag vom Hausmeister tot aufgefunden in einem Kellerraum, der unter den Hundezwingern liegt. Und jetzt im Sommer normalerweise von niemandem betreten wird. Eine Art Heizungskeller, wenn ich die Kollegen richtig verstanden habe. – Und jetzt die junge Frau hier …« Lepcke drehte sich wieder zu dem zweiten Leichnam. »Anna Koschinski, 26 Jahre, vor zwei Tagen um 22:07 Uhr auf der Strecke nach Hamburg vom ICE Jacob Fugger zwischen Isernhagen und Celle überrollt. Um genau zu sein, an einer Treckerbrücke bei einer Ansiedlung namens Dasselsbruch, die ich dir ja gerade schon beschrieben habe.«
    Tabori blickte hoch. Er hatte bisher unwillkürlich angenommen, dass erst der Hauptkommissar und danach dann die junge Frau zu Tode gekommen wären. Es irritierte ihn, dass Lepcke sich eben bei der Präsentation der Leichen nicht an die Abfolge der Todeszeitpunkte gehalten hatte. Aber Lepcke redete schon weiter. Und seine nächste Information war dann tatsächlich erst die Überraschung, die er sich offensichtlich bewusst bis zum Schluss aufgehoben hatte.
    »Sie war übrigens eine Kollegin. Im zweiten Ausbildungsjahr zur Hundeführerin. Bei …«
    »Dem allseits beliebten Hauptkommissar mit der Respekt-Macke«, reagierte Tabori prompt, indem er die einzige logische Schlussfolgerung zog, die sich aus dem Zusammenhang ergab.
    »Und, klingelt da irgendwas bei dir?«
    Tabori zögerte keine Sekunde.
    »Nein. Wieso?«
    »Ist dir der Hauptkommissar schon mal irgendwo über den Weg gelaufen?«
    »Auf keinen Fall.«
    »Und die Anwärterin?«, schoss Lepcke sofort seine nächste Frage ab.
    »Nein, auch nicht. Nicht dass ich wüsste, jedenfalls.«
    »Komisch eigentlich.«
    »Wieso?«
    »Ich dachte, du würdest sie kennen.«
    Bohnenkamp hob ruckartig den Kopf und grinste Tabori an, als wäre endlich der Zeitpunkt gekommen, um Tabori den längst überfälligen Todesstoß zu versetzen.
    »Was soll das?«, wiederholte Tabori, »ich kenne die Frau nicht. Nie gesehen.«
    »Und ihr Name sagt dir auch nichts? Anna Koschinski …?«
    »Nie gehört.«
    »Bist du dir sicher?«, hakte Lepcke nach.
    Tabori holte tief Luft.
    »Gut. Wie kommst du darauf, dass ich sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher