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Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen
Autoren: Romain Sardou
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den Lichtschwankungen von Sheridans Lampe zu folgen. Der Polizist ging schnell. Offenbar folgte er einem Weg. Frank dagegen musste sich durchs Gebüsch schlagen, über dicke Wurzeln oder dürres Holz springen und sich von Dornenranken losreißen, ohne dabei Lärm zu machen.
    Schließlich blieb der große Polizist stehen. Das Licht der Lampe bewegte sich nicht mehr. Frank wagte sich noch näher heran. Seine Augen hatten sich an die Nacht gewöhnt.
    Sheridan grub am Fuß eines Baums. Er hatte seine Taschenlampe auf einem Ast über sich festgeklemmt. Der grelle Lichtstrahl traf auf die Stelle, wo der Cop seine Schaufelladungen abwarf. Der Mann arbeitete bis zur Erschöpfung. Ein dumpfes Klicken ließ ihn innehalten. Er wischte sich die Stirn ab, machte eine unmerkliche Kopfbewegung und legte dann sorgfältig einen schwarzen Plastiksack frei. Er ergriff seine Lampe und richtete den Strahl auf den Gegenstand.
    Als Sheridan sich den Sack über die Schultern hievte, gab es im Kopf des jungen Mannes keinen Zweifel mehr: Es war eine Leiche! Nicht sehr groß. Vielleicht die Leiche einer Frau oder eines Jugendlichen.
    Franklin erbleichte.
    Sheridan kehrte zu seinem Wagen zurück, ohne das Loch wieder zuzuschaufeln.
    Der Professor machte sich Sorgen. Wenn es dem Colonel einfiel, zu wenden, um nach Concord zurückzufahren, würde er unweigerlich Franklins Auto am Straßenrand sehen und mit Hilfe des Kennzeichens und der Leihwagenfirma die Spur zu ihm verfolgen.
    Es gab nur einen Ausweg: Der Professor rannte in den Wald, sprang ans Steuer, drehte den Zündschlüssel und fuhr mit eingeschalteten Scheinwerfern geradeaus weiter.
    Er begegnete Sheridan in flottem Tempo.
    Dieser zuckte zusammen, er war gerade erst mit seinem neuen Passagier aus dem Wald herausgetreten. Er konnte weder Franklin in seinem Fahrzeug erkennen noch die Marke oder das Modell des Wagens.
    Der Professor fuhr geradeaus weiter, dann löschte er wieder die Lichter und blieb nach einer lang gezogenen Kurve stehen. Anschließend fuhr er sehr langsam im Rückwärtsgang den Weg zurück. In der Ferne sah er in seinem Rückspiegel, dass Sheridan, wie er es vorhergesehen hatte, wendete.
    Und er nahm die Verfolgung wieder auf.
    Doch dann hörte er einen Signalton in der Tasche seiner Jacke. Er fuhr hoch. Es war der tragbare Empfängermonitor seines GPS-Senders.
    Er holte das Gerät hervor.
    Sheridans Oldtimer hatte sich soeben ebenfalls in Bewegung gesetzt!

9
    Sheridan fuhr nicht nach Hause zurück. Er setzte sich vielmehr auf die Interstate 393. Für Franklin war nun alles klar. Sheridan kehrte zur Baustelle des Autobahnausbaus zurück.
    Zum Todesort der vierundzwanzig letzten Versuchskaninchen von Boz.
     
    Wenige Gründe können Entschlüsse erklären, durch die ein Leben so schnell aufs Spiel gesetzt wird. Fantasie kann ein furchtbarer Fehler sein. Ein fieberhafter Wissensdurst, die ungeduldige Gier, im Zentrum des Geschehens zu stehen. Die Fantasie nährt den Argwohn. Wer sich nie etwas ausdenkt, hat nie das Verlangen, seine Ideen bestätigt zu sehen. Franklin gehörte nicht zu dieser Sorte Menschen.
    Während der Pick-up die Abfahrt nahm, die zu den Baustellen führte, hielt er seinen Wagen schon weit vor der Kreuzung von Freedom Acres und Interstate 393 an und verschwand zu Fuß in den Wäldern von Farthview Woods.
    Richtung Baustelle.
    Die Durchquerung war mühsam. Es gab keinen Weg und der Wald war hier dichter. Der Halbmond diente als Leuchte von oben. Das war unzureichend, doch Franklin verzichtete darauf, seine Taschenlampe einzuschalten. Die einzigen Lichtpunkte, die er bei seiner Ankunft in der Nähe der Baustelle erkennen konnte, waren die Beleuchtungen der Außentreppen an den Wohnwagen des Dorfs SR-12 in der Ferne. Von dort war Milton Rock mit seinem Hund losgegangen und hatte die vierundzwanzig entdeckt …
    Franklin hatte bisher nur Fotos vom Tatort des Massakers vom 3. Februar 2007 gesehen: die Grube für den Pfeiler, den Leichenberg, die Umgebung im Halbdunkel, die Planiermaschinen und so weiter. Er war nie selbst dort gewesen.
    Geräuschlos schlich er sich an den Waldrand. Er erkannte sofort, dass die Bauarbeiten in mehr als sechs Monaten erheblich fortgeschritten waren. Fünf riesige Pfeiler ragten inzwischen in den Himmel, ein Teilstück der Straße war bereits mit der Auffahrt der 393 verbunden. Das Zentrum der Arbeiten hatte sich um gut eineinhalb Kilometer verschoben.
    Zu Füßen dieser betonierten Massen fühlte sich Frank so klein wie ein
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