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Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen
Autoren: Romain Sardou
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Wagen verließ das Stadtgebiet von Concord, der Hauptstadt von New Hampshire, und schlug die Richtung des Walds von Farthview Woods ein. Die beleuchteten Straßen verschwanden ebenso wie die Ampeln an den Kreuzungen, bald auch die einsamen Behausungen. Es war pechschwarze Nacht.
    Und überall schneite es.
    »Das hat uns gerade noch gefehlt …«, dachte der Colonel. Er sah schon die umgekippten Sattelschlepper, die durchtrennten Hochspannungsleitungen und die kaputten Generatoren mitsamt den aufgeregten alten Farmern vor sich. Und die schwangeren Frauen. Im Lauf des Winters brachte man es so gut wie immer auf ein oder zwei Frauen, die in ihrem Auto auf dem Weg ins Krankenhaus festsaßen. Stets war es ein Polizist, der als Erster auf ihren Hilferuf antwortete. Und oft war es der gleiche Polizist, der auf seiner Rückbank dann half, das Kind zur Welt zu bringen. Die ersten Schneefälle in dieser Intensität waren immer Vorboten einer Menge Ärger.
    Er sagte sich außerdem, dass es schon eine ganze Weile her war, dass man ihn nicht mehr mitten in der Nacht geweckt hatte. Jener berühmte Anruf, nach dem man plötzlich vor einer aus dem See gezogenen Wasserleiche steht oder vor einer Rothaarigen, die von einem Freier abgeschlachtet wurde. Als hohes Tier hatte er inzwischen alles Übrige am Hals: die Einbrüche, die Tätlichkeiten, die Sicherheit von Demonstrationen, die Berichte an die Politiker, die offiziellen Kanäle, die Pressekonferenzen und so weiter. Eine unermessliche Zahl vollgekritzelter Papiere für eine unermessliche Zahl von Bereichen. Daher respektierte man im Allgemeinen seinen Schlaf.
    Ich hab die Augen noch nicht offen genug, um zu zählen, wie viele Leichen wir am Hals haben!
    Die Polizei von New Hampshire konnte sich rühmen, eine anormal niedrige Kriminalitätsrate zu haben. Sheridan dachte daran, dass seine Zahlen in die Höhe schnellen würden, wenn ihn bei Garcia vier oder gar fünf Leichen erwarteten.
    Es war bei seiner Ankunft am Rand der Baustelle, als ihm der Satz der Hollywood-Regisseure einfiel. Zunächst herrschte vollkommene Dunkelheit, Mauern von Bäumen ragten ringsum in den Himmel, und dann brach plötzlich aus einer grell leuchtenden Scheibe im Nirgendwo eine Lichtflut hervor. Ein gutes Dutzend Polizeiwägen standen dort, Fords der Marke Crown Victoria mit eingeschaltetem Blaulicht; die Scheinwerfer der Baufirma ergossen ein bläuliches Licht, riesige Generatoren brummten und dampften wie U-Bahn-Eingänge, phosphoreszierende gelbe Bänder schwankten im Wind, ein Hubschrauber schwebte in geringer Höhe darüber und tastete mit seinem Suchscheinwerfer die Wälder ab, und Fotoblitze zuckten auf. Auf der Baustelle herrschte Stillstand, kein Arbeiter war anwesend, kein Zuschauer, kein Übertragungswagen war zu sehen: nur die Cops und die Kriminaltechniker.
    Der Schauplatz eines Verbrechens in den ersten Augenblicken.
    »Mir blieb nichts anderes übrig, als Sie zu holen, Chef«, sagte Amos Garcia.
    Der Stellvertreter war um die vierzig, ein Latino aus Ford Lauderdale in Florida. Seit sieben Jahren arbeitete er eng mit Sheridan zusammen.
    »Zum Glück bin ich schon früh am Tatort eingetroffen, sodass ich einen ziemlich großen Bereich absperren konnte. Sonst hätten unsere Leute alles mit ihren Stiefeln zertrampelt. Von der örtlichen Polizei ganz zu schweigen. Es muss unweigerlich eine Menge Spuren geben, unter dem frischen Schnee dort. Es muss .«
    Er war angespannt. Das ähnelte ihm nicht. Garcia belastete sich an einem Einsatzort nicht mit Gefühlen.
    »Kommen Sie, es ist hier drüben«, sagte er.
    Im Gehen registrierte der Chef die Anwesenheit von vier Krankenwagen und eine erhebliche Anzahl von Tragen und Bahren wie bei einem Auto- oder Zugunfall. Ein alter Schwarzer saß mit verängstigtem Gesicht auf einem Plastikstuhl vor zwei Polizisten, die einen Abdruck seiner Stiefelsohlen nahmen. In seiner Nähe wartete ein großer Hund. Eine Armada von Baumaschinen war entlang der Sandhügel und Erdaufschüttungen geparkt. Offensichtlich waren die Arbeiten auf der Baustelle seit mehreren Stunden zum Erliegen gekommen.
    Die zwei Männer schlüpften unter den gelben Absperrbändern hindurch, die den Tatort umgaben, und gingen einen mit Holzpflöcken markierten Weg entlang. Sie erreichten ein Loch von acht Metern Breite, das zwei Meter tief und vollkommen eben war. Es gab mehrere davon in regelmäßigen Abständen auf der Baustelle. Sie markierten die Stellen, an denen demnächst jene Betonpfeiler
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