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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein
Autoren: Michael Connelly
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Sie denn gemacht?«, rief Guyot.
    »Nichts. Ich bin nur gefallen.«
    »Ihr Hemd ist ja … Sie bluten!«
    »Das gehört zu meinem Job.«
    »Lassen Sie mich das mal ansehen.«
    Der Arzt kam auf ihn zu, aber Bosch hielt die Hände hoch.
    »Mir fehlt nichts. Wer ist das?«
    »Ich bin Victor Ulrich«, antwortete der andere Mann. »Ich wohne hier.«
    Er zeigte auf das Haus neben dem unbebauten Grundstück. Bosch nickte.
    »Ich wollte nur mal sehen, was hier los ist.«
    »Also, im Moment ist gar nichts los. Aber dort oben ist ein Tatort. Beziehungsweise in Kürze wird dort einer sein. Wahrscheinlich kommen wir erst morgen früh zurück, um mit den Ermittlungen fortzufahren. Aber ich muss Sie beide bitten, sich davon fernzuhalten und niemandem etwas davon zu erzählen. Ist das klar?«
    Beide Männer nickten.
    »Und, Doktor, lassen Sie Ihren Hund die nächsten paar Tage nicht mehr von der Leine. Ich muss jetzt zu meinem Wagen zurück, um zu telefonieren. Mr. Ulrich, wir werden mit Ihnen sprechen müssen. Sind Sie morgen erreichbar?«
    »Sicher. Jederzeit. Ich arbeite zu Hause.«
    »Woran?«
    »Ich schreibe.«
    »Okay. Dann bis morgen.«
    Bosch ging mit Guyot und dem Hund zu dessen Haus zurück.
    »Ich sollte mir Ihre Verletzung wirklich mal ansehen«, drängte Guyot.
    »Das wird schon wieder.«
    Bosch blickte kurz nach links und glaubte zu sehen, wie sich hinter einem der Fenster des Hauses, an dem sie gerade vorbeikamen, rasch ein Vorhang schloss.
    »So, wie Sie gehen, haben Sie sich bestimmt eine Rippe angeknackst«, sagte Guyot. »Vielleicht sogar gebrochen. Vielleicht auch mehr als eine.«
    Bosch dachte an die kleinen, dünnen Knochen, die er eben unter den Akazien gesehen hatte.
    »Es gibt nichts, was man für eine Rippe tun kann«, sagte er. »Ob sie nun gebrochen ist oder nicht.«
    »Ich kann sie mit Heftpflaster fixieren. Danach fällt Ihnen zumindest das Atmen um einiges leichter. Ich kann auch die Wunde versorgen.«
    Bosch lenkte ein.
    »Okay, Doc, Sie holen Ihre schwarze Tasche, ich hole mein zweites Hemd.«
    Wenige Minuten später, in Guyots Haus, säuberte der Arzt den tiefen Kratzer an der Seite von Boschs Brustkorb und fixierte seine Rippen mit Pflastern. Danach war es nicht mehr so schlimm, aber es tat weiterhin weh. Guyot sagte, er könne ihm kein Rezept mehr ausstellen, würde ihm aber ohnehin raten, nichts Stärkeres als Aspirin zu nehmen.
    Bosch fiel ein, dass er noch eine Packung Vicodin-Tabletten hatte, die er sich besorgt hatte, als er sich vor ein paar Monaten einen Weisheitszahn hatte ziehen lassen. Sie würden die Schmerzen lindern, wenn er das tatsächlich wollte.
    »Es geht schon«, sagte er. »Und vielen Dank für Ihre Hilfe.«
    »Nicht der Rede wert.«
    Bosch zog sein gutes Hemd an und beobachtete, wie Guyot den Erste-Hilfe-Koffer zumachte. Er fragte sich, wie lange der Arzt schon keinen Patienten mehr behandelt hatte.
    »Wie lange sind Sie schon pensioniert?«, fragte er.
    »Nächsten Monat werden es zwölf Jahre.«
    »Fehlt Ihnen Ihr Beruf?«
    Guyot wandte sich von dem Erste-Hilfe-Koffer ab und sah ihn an. Der Tremor war weg.
    »Jeden Tag. Wobei mir die Arbeit als solche – die einzelnen Fälle – nicht fehlt, wissen Sie. Aber es war etwas, was ich sinnvoll und nützlich fand. Und das fehlt mir.«
    Bosch dachte an das, was Julia Brasher über die Arbeit beim Morddezernat gesagt hatte. Zum Zeichen, dass er verstanden hatte, was Guyot meinte, nickte er.
    »Sie sagten, dort oben war ein Tatort?«, sagte der Arzt.
    »Ja. Ich habe noch mehr Knochen gefunden. Ich muss mal telefonieren, sehen, was wir machen werden. Dürfte ich kurz Ihr Telefon benutzen? Ich schätze, mein Handy funktioniert hier nicht.«
    »Nein, im Canyon nicht. Nehmen Sie den Apparat dort auf dem Schreibtisch. Ich werde Sie so lange allein lassen.«
    Er nahm den Erste-Hilfe-Koffer mit, als er das Zimmer verließ. Bosch ging hinter den Schreibtisch und setzte sich. Der Hund lag neben dem Stuhl auf dem Boden. Das Tier blickte auf und schien überrascht, als es Bosch auf dem Platz seines Herrchens sitzen sah.
    »Calamity«, sagte er. »Heute hast du, glaube ich, deinem Namen alle Ehre gemacht.«
    Bosch langte nach unten und massierte den Hals des Hundes. Der Hund knurrte, und er zog die Hand rasch zurück. Gleichzeitig fragte er sich, ob es an ihm oder an der Erziehung des Hundes lag, dass er so feindselig reagierte.
    Er nahm den Hörer ab und wählte die Privatnummer seiner Vorgesetzten, Lt. Grace Billets. Er schilderte ihr, was
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