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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein
Autoren: Michael Connelly
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hervor. Er spürte ein schwaches elektrisches Prickeln seinen Nacken hinunterlaufen.
    »Adresse?«
    Mankiewicz gab sie ihm durch und sagte ihm, dass er bereits eine Streife hingeschickt hatte.
    »Es war richtig, es nicht über Funk durchzugeben. Wäre schön, wenn Sie es auch weiter so halten könnten.«
    Mankiewicz sagte, er würde es versuchen. Bosch machte das Telefon aus und startete den Wagen. Bevor er losfuhr, warf er noch einmal einen Blick auf den Eingang des Seniorenheims. Splendid Age – Herrliches Alter. In seinen Augen hatte es überhaupt nichts Herrliches. Die Frau, die sich im begehbaren Kleiderschrank ihres winzigen Schlafzimmers erhängt hatte, hatte laut Aussagen der Betreiber des Heims keine nahen Verwandten gehabt. Sie würde im Tod genauso behandelt werden wie im Leben, allein gelassen und vergessen.
    Bosch machte sich auf den Weg nach Laurel Canyon.

2
    Während der Fahrt zum Canyon und dann den Lookout Mountain hinauf zur Wonderland Avenue hörte er sich im Autoradio das Lakers-Spiel an. Er war kein großer Basketballfan, aber er wollte sich über den Spielstand auf dem Laufenden halten, falls er seinen Partner, Jerry Edgar, brauchte. Bosch machte allein Dienst, weil Edgar das Glück gehabt hatte, zwei Karten für das Spiel zu bekommen. Deshalb hatte er sich bereit erklärt, die Einsätze allein zu übernehmen und Edgar nur dann zu verständigen, wenn es ein Mord oder sonst etwas war, was er nicht allein schaffte. Bosch war auch deshalb allein, weil das dritte Mitglied seines Teams, Kizmin Rider, fast ein Jahr zuvor zur Robbery-Homicide Division befördert und immer noch nicht ersetzt worden war.
    Es war zu Beginn des dritten Viertels, und das Spiel gegen die Trail Blazers war noch lange nicht entschieden. Auch wenn Bosch kein eingefleischter Fan war, wusste er wegen Edgars ständigen Basketballgequatsches und seiner Bitte, vom Bereitschaftsdienst befreit zu werden, dass es ein wichtiges Spiel gegen einen der Hauptrivalen des Teams aus Los Angeles war. Er beschloss, Edgars Pager erst anzurufen, wenn er am Tatort eingetroffen war und sich ein Bild von der Situation gemacht hatte. Als der Empfang im Canyon immer schlechter wurde, schaltete er das Radio aus.
    Die Straße führte steil nach oben. Der Laurel Canyon war ein tiefer Einschnitt in den Santa Monica Mountains. Die Nebenstraßen führten bis zu den Kämmen der Hügel hinauf. Die Wonderland Avenue endete in einem abgelegenen Terrain, wo unmittelbar hinter den 500000-Dollar-Häusern dicht bewaldete, steile Hänge aufstiegen. In dieser Gegend nach Knochen zu suchen würde ein logistischer Albtraum werden. Er hielt hinter dem Streifenwagen, der bereits vor dem Haus stand, dessen Adresse ihm Mankiewicz durchgegeben hatte, und sah auf die Uhr. Es war 16 Uhr 38, und er notierte es auf einer neuen Seite seines Blocks. Er schätzte, ihm bliebe nicht einmal mehr eine Stunde Tageslicht.
    Auf sein Klopfen öffnete eine Streifenpolizistin, die er nicht kannte. Auf ihrem Namensschild stand Brasher. Sie führte ihn durch das Haus ins Arbeitszimmer. Dort sprach ihr Partner, den Bosch kannte und von dem er wusste, dass er Edgewood hieß, mit einem weißhaarigen Mann. Auf dem Schreibtisch, an dem der Mann saß, stand ein offener Schuhkarton.
    Bosch trat vor und nannte seinen Namen. Der weißhaarige Mann sagte, er sei Dr. Paul Guyot, ein praktischer Arzt. Als Bosch sich vorbeugte, konnte er sehen, dass der Schuhkarton den Knochen enthielt, der sie alle zusammengeführt hatte. Er war dunkelbraun und sah aus wie ein verwittertes Stück Treibholz.
    Neben dem Schreibtischstuhl des Arztes sah er einen Hund auf dem Boden liegen. Es war ein großer Hund mit hellbraunem Fell.
    »Das ist er also«, sagte Bosch und sah noch einmal in die Schachtel.
    »Ja, Detective, das ist unser Knochen«, sagte Guyot. »Und wie Sie sehen …«
    Er griff hinter sich und nahm eine schwere Ausgabe von Gray’s Anatomy von einem Bord. Er schlug sie an einer markierten Stelle auf. Bosch stellte fest, dass er Gummihandschuhe trug.
    Auf der Seite war ein Knochen abgebildet, Vorder- und Hinteransicht. In der Ecke der Seite befand sich eine kleine Darstellung eines menschlichen Skeletts, in der die Humerus-Knochen beider Arme besonders hervorgehoben waren.
    »Der Humerus«, sagte Guyot und tippte auf die Seite. »Und hier haben wir das gefundene Exemplar.«
    Er fasste in den Schuhkarton und hob den Knochen behutsam heraus. Er hielt ihn über die Illustration in dem Anatomiebuch und nahm
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