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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens
Autoren: Michelle Sagara
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– das taten sie wirklich nicht – aber er verschwamm vor ihren Augen, und als sie wieder aufwachte, war er verschwunden.
    Sogar Caitlin und auch Marcus kamen sie besuchen. Caitlin brachte ihr Blumen mit und schnalzte laut mit der Zunge, als sie sah, in welchem Zustand das Zimmer war. Sie hob ein Stück abgelegter Wäsche auf und schwor, dass sie fast von allein aufstehen und das Zimmer verlassen konnte. Als ihre Stimme aus der Küche drang, war sie sogar noch schockierter, auf eine sogenannte mütterliche Art. Sie brachte Kaylin zum Lächeln.
    Sie brachte Kaylin zum Weinen.
    Marcus sprach mit ihr und hielt ihre Hand. Sie wusste, dass er es tat, weil sie sich genau daran erinnerte, seine Pfoten an ihren Handflächen gespürt zu haben. Auch an ihrer Stirn. Leontinischer Atem war nicht gerade die angenehmste sinnliche Erfahrung, aber auch den spürte sie. Sie spürte seine Zunge auf ihrer Stirn wie einen Segen. Oder aus Dankbarkeit.
    “Beweg deinen Hintern aus dem Bett”, knurrte er ihr ins Ohr, “oder ich lasse dein Gehalt einfrieren.”
    Sie lächelte schwach. “Wie lange bin ich weg gewesen?”
    “Drei Tage. Bis jetzt. Ich würde dich aus dem Bett schmeißen, aber dafür reißt Caitlin mir das Fell aus. Und meine Frauen machen Köderfleisch aus mir.”
    Sie hörte ein gefälliges Knurren und sah, wie Marcus seine leontinischen Augen verdrehte. Eine seiner Frauen – sie konnte nicht erkennen, welche – stand ein ganzes Stück hinter seiner Schulter.
    “Ich bin mitgekommen”, sagte sie in ihrem lallenden, perfekten Leontinisch, “damit er sich benimmt. Die Männchen wissen nie, wohin sie gehören.”
    “Jetzt weißt du”, sagte er zu Kaylin, seine Pfoten sanft an ihrer Stirn, als er sie vorsichtig, aber eindringlich zurück in ihre Kissen drückte, “warum ich so viel Zeit im Büro verbringe.”
    Nachdem sie wieder geschlafen hatte und Marcus und Caitlin, und die Frau, die mit so eindeutiger Zuneigung gesprochen hatte, von ihrem Schlaf verbannt worden waren, kam Marrin sie besuchen. Ihr Fell, das an den Rändern immer noch weiß war, lag ganz glatt, und es hatte auch etwas von seinem Glanz zurückbekommen. Ihre Krallen waren ebenfalls ganz eingezogen.
    “Du siehst müde aus”, sagte Kaylin.
    Marrin zischte ihr leontinisches Lachen. “Jemand sollte die Decke vom Spiegel nehmen”, sagte sie, “wenn
du
das zu
mir
sagst.” Sie schwieg einen Augenblick. “Ich habe sieben neue Junge, und sie wollen dich alle kennenlernen.” Ihre Augen flackerten auffällig, während sie sprach.
    Kaylin schloss ihre Augen. “Es tut mir wirklich leid”, flüsterte sie.
    Sie spürte, wie leontinische Krallen ihr Kinn gerade so fest anpackten, dass sie nicht durch ihre Haut drangen. Aber es war knapp. “Nicht”, sagte Marrin mit Bestimmtheit.
    “Aber ich –”
    “Tu dir nicht selbst leid. Nicht solange ich hier bin.”
    “Aber sie wollen nicht –”
    “Doch”, sagte sie leise. “Ich bin ihre Rudelmutter. Ich weiß, was sie wirklich wollen. Wenn sie das bis jetzt noch nicht gemerkt haben, tun sie es bald. Sie sind ziemlich grobkantig”, fügte sie hinzu, “und so mager, dass man aus allen zusammen keine vernünftige Mahlzeit bekommt. Aber das ändern wir schon.” Sie verstummte. Ihre Augen glitzerten. “Sie haben Angst”, sagte sie leise. “Sie glauben, ich will sie benutzen. Aber du bist selbst aus den Kolonien, du kannst ihnen Vernunft beibringen. Ein oder zwei sind bereits zu Hause – aber die anderen? Sobald du kannst, Kaylin. Komm.”
    Sie berührte Kaylins Stirn ebenfalls mit den Pfoten. Sie waren trocken. Aber Marrin bemutterte selber, und sie hasste es, bemuttert zu
werden
. Kaylin sagte nichts.
    “Severn hat sie schon besucht.”
    Die Worte jagten Kaylin keine Angst ein. Einst hätten sie es getan.
    “Ich … mag ihn, Kaylin. Ich weiß nicht, was er dir angetan hat. Ich werde dich nicht danach fragen. Was auch immer es war, er hat dafür bezahlt. Er bezahlt noch. Aber er hat die Kinder zu mir gebracht, und er hat die Kosten für ihre Kleidung übernommen. Er schafft es schon.”
    Tiamaris kam später und brachte ausgerechnet Blumen mit. Sie starrte sie an, als wären es verwitterte Äste. Oder als wäre er wahnsinnig, und es wäre nicht sicher, ihn selbst anzusehen. “Der Kaiser steht in deiner Schuld, Gefreite Neya.”
    Sie krümmte sich zusammen.
    Er nickte. “Sehr weise. Natürlich bist du zu schwach, um ihm aufzuwarten. Ich glaube, es wäre klug, so schwach zu bleiben. Er ist kein
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