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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens
Autoren: Michelle Sagara
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die dunklen Ringe unter den Augen des jüngsten Falken sah. “Du schläfst nicht”, sagte sie, und aus Sorge klang es wie eine Anklage.
    “Ich habe nichts anderes getan als zu schlafen, und das für die letzte – was? Woche?”
    “Nimm dir zwei.”
    “Ha. Nachdem ich mich eingetragen habe.”
    Caitlin zuckte mit den Schultern. “Du bist so ein richtiger Bodenfalke, Liebes”, sagte sie mit einem liebevollen Lächeln. Sie hielt ihr ein kleines Bündel Papier entgegen. Kaylin nahm es. Fluchte, als sie sah, was noch übrig war, und verstummte, als sie sah, wen man ihr als Partner zugeteilt hatte.
    Tain.
    Sie zögerte, und Caitlin, die mit so etwas Erfahrung hatte, konnte die Situation lesen wie perfekt ausgeführtes Barrani. Sie wartete trotzdem stumm, bis Kaylin durch alle Papiere gegangen war und nach einem Namen gesucht hatte. Als sie ihn nicht finden konnte, sah sie schließlich auf.
    “Er ist doch noch ein Falke?”, fragte sie.
    “Er ist immer noch ein Falke”, antwortete Caitlin, ohne zu fragen, wen Kaylin meinte. “Aber der Wolflord hat Lord Grammayre um ein Gespräch deswegen gebeten. Es kann gut sein – wenn man dem Klatsch im Büro trauen kann – dass Severn noch vor Ablauf der Woche vielleicht wieder bei den Wölfen landet.”
    Kaylin nickte, als würden die Worte einen Sinn ergeben. Und das taten sie auch. Einen sehr bitteren.
    “Kaylin, Liebes, nicht knittern, ich habe keine Kopie.”
    “Tut mir leid.”
    “Ich weiß. Das tut es dir immer.” Caitlin zögerte. “Der Falkenlord wartet auf dich.”
    “Was habe ich dieses Mal falsch gemacht?” Doch in den Worten lag keine Betonung. Severn. Wölfe.
    Es war das Beste. Für sie beide. Die Vergangenheit war zu verworren, sie war ein Gestrüpp mit Dornen, Dornen ohne Rosen. Sie legte die Papiere auf den Tisch und wendete sich endlich zur Tür gegenüber. Zu den Treppen zum Turm.
    Der Aufstieg war länger als jemals zuvor. Sie musste zweimal stehen bleiben und war froh, dass niemand neben ihr ging; die Wachen, die auf jedem Stockwerk neben den Türen standen, schienen ihren traurigen Mangel an Ausdauer nicht zu bemerken.
    Die Tür zum Turm war geschlossen. Das Symbol in ihrer Mitte, der Schutz vor Eindringlingen, wartete auf ihre Hand. Sie hob ihre Hand misstrauisch, bemerkte den Schock der Magie aber kaum. Die Türen glitten auf, und sie trat über die Schwelle. Sie sah erst auf, als sie das Zimmer ganz betreten hatte.
    Lord Grammayre stand in der Mitte des Turmes, die Arme verschränkt, die Augen zusammengekniffen. “Du kommst zu spät”, sagte er. Als wäre es ein Tag wie jeder andere.
    Und das war es. Sie war ein Falke. Sie hatte ihre Wahl getroffen. Die Welt blieb nicht wegen ihrer Tragödien stehen; sie blieb nicht stehen wegen ihrer Vergangenheit. Sie blieb wegen nichts stehen, und das war auch gut so.
    “Es tut mir leid, Lord Grammayre.”
    Er hob eine blasse Augenbraue. Unter der geschwungenen Decke entfalteten sich seine Flügel, langsam und bedächtig. Aber seine Arme blieben vor seiner Brust verschränkt, wie geschlossene Türen. Sie stand vor ihm und fühlte sich sieben Jahre jünger.
    “Der Lord der Wölfe hat mir heute morgen einen Besuch abgestattet”, sagte der Falkenlord und brach damit das Schweigen. Verlieh ihm noch mehr Gewicht.
    “Oh.”
    “Er hat um die Versetzung von Offizier Severn Handred ersucht.”
    “Oh.” Und weil ihr Mund halb offen stand, sprach sie noch weiter. “Weiß er davon?”
    “Severn?”
    Sie nickte.
    “Er war anwesend.”
    “Er geht zurück zu den Wölfen?”
    “Kaylin Neya.” Der Falkenlord runzelte die Stirn. “Was habe ich dir über das Ziehen von voreiligen Schlüssen beigebracht?”
    Sie starrte ihn ausdruckslos an. Das änderte nichts an der Richtung, in die sein Mund sich verzog.
    “Na gut. Da du den Falken
dieses Mal
keine Schande gemacht hast, werde ich diese fast unverzeihliche Vorstellung entschuldigen. Ich habe gesagt, dass der Lord der Wölfe um seine Versetzung ersucht hat. Ich habe gesagt, Severn war anwesend. Wann habe ich mit diesen Worten gesagt, dass er zu den Wölfen zurückgekehrt ist?”
    “Aber – aber …”
    “Ich überlasse es dir”, sagte der Falkenlord mit merkwürdig ausdrucksloser Stimme.
    “Aber es ist nicht mein Leben.”
    “Nein. Das ist es nicht. Es war allerdings die einzige Bitte des Offiziers, und da die Mission so ein Erfolg war, habe ich sie ihm gewährt. Du bist übrigens wieder im aktiven Dienst”, fügte er mit weicherer Stimme hinzu.
    Sie
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