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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens
Autoren: Michelle Sagara
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geduldiger Mann.”
    “Soll heißen, ich werde den Falken Schande machen, und dann muss er mich umbringen?”
    “Ungefähr so.” Er sprach nicht in Barrani, wie er es sonst meistens tat, sondern Elantranisch.
    “Was hast du jetzt vor?”
    “Jetzt?”
    “Jetzt, wo es vorbei ist.”
    Er sah sie mit goldenen Augen an. Seine unteren Lider waren geschlossen. “Ich werde, denke ich, noch eine ganze Zeit Falke bleiben. Es ist ein … interessantes Leben. Der Rhythmus ist sterblich, die Zeiten sind ungewöhnlich. Aber ich finde es auf eine Art befriedigend, die ich bisher bei der Arbeit selten empfunden habe.” Er fasste nach ihrer Hand. Nein, berichtigte sie sich, nicht nach ihrer Hand.
    Nach der Armschiene. Sie war ein warmes, vertrautes Gewicht. “Die Edelsteine sind jetzt trüb”, sagte er zu ihr.
    “Ich weiß.”
    “Ich denke, es wäre sicher, sie zu entfernen, wenn dir danach ist.”
    Sie schüttelte den Kopf. Dachte daran, warum die Schiene an ihrem Arm lag und was passiert wäre, wenn sie ihr niemand je angelegt hätte. “Noch nicht”, sagte sie leise.
    “Du wächst noch, Kaylin Neya. Besonders deine Weisheit.”
    “Wird es immer so wehtun?”
    “Etwas dazulernen? Nicht immer.” Sein Lächeln überraschte sie, denn es war sanft. Fast menschlich. “Der Kaiser hat dir großzügigerweise gestattet, in den Rängen der Falken zu verbleiben.”
    Sie hob beide Augenbrauen.
    “Ja”, sagte er, auch wenn sie nicht gefragt hatte. “Er hat in Erwägung gezogen, dich in seinen Dienst abzustellen, um deine heilende Gabe allein für sich nutzen zu können. Aber es wurde im Namen der Falken Einspruch eingelegt, und er hat sich entschlossen, auf deine Dienste zu verzichten.” Tiamaris stand auf.
    “Lord Grammayre?”
    “Er wartet auf dich, Kaylin. Wenn du bereit bist, wird er immer noch warten.”
    Sie spürte einen Stich der Enttäuschung.
    “Er ist ein Lord der Gesetze”, sagte der Drache sanft zu ihr. “Und auch wenn du die Stadt gerettet hast, bewegt sich die Stadt immer noch unter ihm, und seine Pflicht ist immer noch eindeutig.”
    Sie lehnte sich erschöpft in ihre Kissen zurück.
    Severn trat in ihr Blickfeld. “Tiamaris”, sagte er streng.
    “Ich weiß. Ich habe sie bereits ermüdet.” Der Drache stand auf, blieb aber noch einen Augenblick stehen und rückte behutsam die Blumen in der Vase zurecht, die er ebenfalls mitgebracht hatte, weil er vorausgesehen hatte, dass sie selbst keine besaß. “Aber Handred, ich glaube, auch du könntest – wie sagt man? Ah. Du könntest Schlaf gebrauchen.”
    “Ich habe geschlafen”, war die kühle Antwort. Sie lud nicht zu einem weiteren Gespräch ein, und der Drache zuckte sehr drachenartig mit den Schultern.
    Am vierten Tag stand Kaylin auf und ging in den engen Grenzen ihrer vollgestopften Wohnung auf und ab. Dass ihr das gelang, ohne auf Wäschebergen auszurutschen, war ein Zeichen, dass Caitlin die Unordnung sauer aufgestoßen war. Die Küche war ebenfalls – so gut es ging – makellos. Kaylin wusste nicht, ob sie hocherfreut oder beschämt sein sollte.
    “Lass mich raten”, sagte sie zu Severn, der ihr kaum von der Seite wich. “Den Spiegel hat sie auch sauber gemacht.”
    “Glänzt wie neu”, war die Antwort. “Sie hatte etwas zu den Fingerabdrücken darauf zu sagen. Ich werde es allerdings nicht wiederholen.”
    “Bist du überhaupt zu Hause gewesen? Bei dir, meine ich?”
    Er sagte nichts. Antwort genug. Sie ging im Kreis, bis ihre Beine wehtaten. Das dauerte nicht so lange, wie sie es gehofft hatte. Vier Tage.
    “So schlimm war es vorher noch nie”, sagte sie, fast wie zu sich selbst.
    “So ist das eben, wenn man mit Drachen kämpft.”
    “Habe ich das?”, fragte sie ihn und ließ sich schwerfällig auf ihrer Bettkante nieder.
    “Hast du?”
    “Mit Drachen gekämpft.”
    Er schwieg.
    Am fünften Tag fiel ihr das Gehen nicht mehr schwer. Sie zog sich an und nahm das Tuch vom Spiegel, zum Teil auch, weil es eines ihrer einzigen zwei Handtücher war, und sie es satthatte, sich dreckig zu fühlen. Sie wusch sich, während Severn vor die Wohnung trat, trocknete sich die Haare und zog sich wieder an. Sie wählte ihre Dienstuniform.
    Als Severn zurückkehrte, war sie bereit für ihn. Er hob seine Augenbrauen ein Stück, als er sah, was sie anhatte. “Bist du schon stark genug?”, fragte er.
    Sie nickte stumm. “Wenn ich nicht bald etwas anderes als diese verdammten Wände sehe, drehe ich durch.”
    Er nickte und ging an ihrer Seite,
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