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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens
Autoren: Michelle Sagara
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Gesicht hatte nicht den gewöhnlichen gehetzten Ausdruck von jemandem, der zu spät zu seiner eigenen Beerdigung kam, und er kannte sie recht gut; er wusste, was das zu bedeuten hatte. Er legte seinen Speer in seine linke Hand und streckte die Rechte aus, um ihre Schulter zu berühren. Er schloss seinen Griff einen Augenblick lang fest, um ihr deutlich zu machen, was er nicht in Worte fassen konnte.
    Sie zwang sich zu einem Lächeln und wusste, wie schlimm es aussah, als er sein Gesicht verzog. “Versuch es gar nicht erst”, sagte er mit einem schiefen – und ehrlichen – eigenen Lächeln. “Du hast ein bisschen Arbeit verpasst”, fügte er hinzu, “und ein bisschen Aufregung.”
    “Was für Aufregung?”
    “Ach, das Übliche.”
    Sie versuchte, sich an das Datum zu erinnern. Dann hob sie die Augenbrauen. “Die Feiertage”, sagte sie, als wären die Worte Würmer, die sie aus Versehen in den Mund genommen hatte.
    “Kluges Mädchen”, sagte Tanner und hob seinen Helm wie einen Hut. “Und du hast die Einschreibung verpasst.”
    Sie stöhnte auf. “Reicht es nicht, dass ich einen vernünftigen Grund habe?”
    “Reicht das je?” Clints Lachen war natürlich, warm und klangvoll. Das Lachen, das sie liebte. Sie drückte ihre Schultern durch, merkte, dass es nicht so schwer war, wie sie geglaubt hatte, und ließ einen Teil ihrer düsteren Stimmung hinter sich. “Wenn ich Tische decken muss”, sagte sie und fügte noch ein paar ausgewählte aerianische Worte hinzu, “dann bekommt jemand
verdammt
Ärger.”
    “Vielleicht hast du noch etwas zu sagen – die Liste ist noch nicht abgezeichnet.”
    “Noch nicht.”
    “Caitlin hat sie, aber sie muss nicht vor Ende des Tages ausgehängt werden.”
    Da der Tag schon halb vorüber war, fluchte sie und hastete die Stufen hinauf. Blieb kurz stehen, drehte sich um und vergrub die Finger in Clints Flugfedern.
    Sein Schimpfen klang in ihren Ohren wie ein Jubeln, auch wenn sie es in gehobener Gesellschaft nicht wiederholt hätte.
    Sie kam ins Büro geplatzt und musste beschämt zugeben, dass der Lauf die Treppen hoch und durch die Flure sie außer Atem gebracht hatte. Was natürlich bedeutete, dass sie es ganz bestimmt nicht zugeben würde.
    Marcus sah auf, als die Türen sich hinter ihr schlossen. Sein Schreibtisch lag unter einem Berg aus Papierkram begraben, und er knurrte sie an, bis sein Fell sich ein Stück aufstellte. “Siehst du
das
?”, sagte er, und unter seiner gestellten Wut lag echter Ärger.
    Sie nickte höflich. Das schien ihr am sichersten.
    “Das ist das Ergebnis von deinem kleinen Ausflug in die Kolonien.”
    “Das
alles
?”
    “Jeder verdammte Fetzen.” Seine Klauen gruben sich in den Schreibtisch, als er sich aus seinem Stuhl stemmte.
    “Na ja, du weißt ja, was man sagt.”
    “Keine gute Tat bleibt ungestraft.”
    “Ganz genau.”
    “Die Leontiner sagen das nicht, Gefreite.”
    Sie zuckte mit den Schultern, aber es gelang ihr, zu grinsen. Sie musste sich nicht einmal zwingen.
    “Kaylin.”
    Sie antwortete nicht. Die Art, wie seine Stimme sich veränderte, wie sein Knurren sich um die Silben ihres Namens legte, klang ernst. “Es tut mir leid”, sagte sie und meinte es ehrlich.
    “Was?”
    “Dir Sorgen bereitet zu haben.”
    “Gut. Ich muss dich um einen Gefallen bitten.”
    “Klar.”
    “Mach mir nie wieder Sorgen.”
    “Ja, Sir.”
    Er streckte eine Hand aus. Die Klauen waren eingefahren. Aber er hielt kurz vor ihrem Gesicht inne und strubbelte ihr stattdessen durch die Haare. Oder genauer gesagt löste er einige aus ihrem Knoten. “Gut gemacht”, sagte er zu ihr. Ein hohes Lob, von Marcus. Genau genommen die einzige Art Lob, die man je von ihm erwarten konnte. Knapp.
    “Ich war nicht allein –”
    “Aber du kommst schon wieder
zu spät
, und der Falkenlord wartet.”
    “Du hättest spiegeln können –”
    “Jemand hat deinen Spiegel abgeschaltet. Das solltest du in Ordnung bringen.”
    Jemand. Severn. “Wo ist die Liste für den Feiertagsdienst?”, sagte sie stattdessen, weil es sicherer war.
    “Caitlin hat sie. Und Bestechungen sind illegal.”
    “Ja, Sir.”
    “Gut. Aus meinen Augen.”
    “Ja, Sir.”
    Sie machte sich auf zu Caitlins Schreibtisch, wurde von Caitlin aber abgefangen und so fest umarmt, dass sie kaum noch atmen konnte. Als Kaylin sich allerdings zurückzog, tat sie, was Marcus nicht getan hatte: Sie nahm Kaylins Gesicht in ihre Hände und drehte es nach oben. Sie schnalzte mit der Zunge, als sie
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