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Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel

Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel

Titel: Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel
Autoren: Sabine Klewe
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Distanz verfolgte.
    Während die Frau im Obduktionssaal ihrer für sie selbst alltäglichen, doch für Außenstehende hoch befremdlichen Arbeit nachging, sammelte die Septembersonne draußen noch einmal ihre ganze Kraft. Als Halverstett zusammen mit Fischer gegen elf Uhr aus dem Gebäude trat, hatte sich die sengende Hitze erneut in der Stadt breit gemacht wie eine ungeliebte, angeheiratete Großtante, die an der Kaffeetafel die üppigsten Tortenstücke in sich hineinschaufelt und dabei schwitzt und stinkt, so dass allen anderen Familienmitgliedern der Kuchen förmlich im Hals stecken bleibt.
    Verdeckt von anderen Gebäuden rauschte auf der Witzelstraße der Verkehr; das Gelände der Universitätskliniken jedoch breitete sich lautlos und träge vor ihnen aus. Ein einzelner Radfahrer im weißen Kittel strampelte den Bürgersteig entlang. Für einen Augenblick blieben die Männer auf dem Treppenabsatz vor dem Institut für Rechtsmedizin stehen. Fischer steckte sich eine Zigarette an.
    »Und? Was denken Sie, Halverstett ?«
    Der Polizist zuckte vage die Achseln. Sekundenlang spielte er mit dem Gedanken, zu fragen, ob Fischer den Fall Claudia Heinrich oder Frau Dr. Lahnstein meine. Dann entschied er, dass das wohl doch ein wenig zu weit gehen würde.
    Da Halverstett nicht sogleich etwas erwiderte, beantwortete der Staatsanwalt seine Frage selbst.
    »Die Sachlage ist schwierig. Mir wäre ein eindeutiges Obduktionsergebnis lieber gewesen .« Er zog an der Zigarette, bevor er weiter sprach. »Thomas Heinrich ist ein prominenter Anwalt mit viel Einfluss. Ich kenne ihn. Wenn wir den Tod seiner Frau als Selbstmord zu den Akten legen, dann will ich hundert Prozent sicher sein, dass es auch wirklich ein Selbstmord war .«
    Mit diesen Worten ließ er Halverstett stehen, marschierte zu einem schwarzen BMW, warf seine Zigarette auf die Straße, stieg ein und fuhr davon. Der Kommissar starrte ihm nach und fragte sich, ob er zu seiner Mutter auch so sprach, wenn sie seine Hemden nicht ordentlich gefaltet hatte. Dann fiel ihm ein, dass er ja gar nicht wusste, ob Fischer wirklich noch zu Hause wohnte. Er nahm sich vor, ihn bei nächster Gelegenheit zu fragen.

     
    Durch die Stille des Abends dröhnte das monotone Zirpen der Grillen. Roberta Wickert schob die Verandatür auf und blickte auf das kleine Thermometer, das an der Außenwand des Hauses hing. Es waren immer noch siebenundzwanzig Grad. Sie schaute nach oben. Ein fahler Lichtstreifen am Horizont war alles, was vom Tag übrig war. Und die Hitze.
    Die ersten Sterne tauchten am Himmel auf und die Luft stand vollkommen still. Sie atmete tief durch. Zum ersten Mal seit Jahren spürte sie ein fast unwiderstehliches Verlangen, sich eine Zigarette anzuzünden. Seit ihrer ersten Schwangerschaft rauchte sie nicht mehr, und es war ihr überhaupt nicht schwer gefallen, darauf zu verzichten. Bis heute. Roberta lehnte sich gegen das kühle Glas der Verandatür. Sie fühlte sich ausgelaugt, müde und unendlich schwer. Der Tag war anstrengend gewesen, nervenaufreibend und hektisch. Seit fünf Wochen erst wohnten sie in dem neuen Haus, waren endlich aus der Stadt herausgezogen, so, wie sie es sich immer erträumt hatte.
    Aber das Einleben in einer neuen Umgebung mit drei kleinen Kindern war nicht reibungslos verlaufen. Jetzt hatten sie die ersten drei Schulwochen nach den Sommerferien hinter sich gebracht. Ihre Tochter Johanna musste sich an eine neue Klasse gewöhnen, David als Schulanfänger schnupperte erstmals Schulluft und musste lernen, stillzusitzen und zuzuhören, und Tommy war, gerade dreijährig, in den Kindergarten gekommen.
    Ihre kleine Tochter hatte sich schnell eingelebt und bereits zwei neue ›beste Freundinnen‹, David war ein wenig über die Stränge geschlagen, temperamentvoll wie er war. Aber seine Klassenlehrerin hatte zuversichtlich verkündet, dass sie davon überzeugt sei, er werde sich sicher bald einfügen. Und Tommy hatte sich jeden Morgen schreiend an ihr Bein geklammert, wenn sie versuchte, den Kindergarten zu verlassen. Also hatte sie sich immer wieder erneut zu ihm gesetzt und ihm ein weiteres Buch vorgelesen. Dabei war sie sich gar nicht so sicher, ob sie ihrem Sohn oder sich selbst damit den größeren Gefallen tat. Auch ihr fiel der Abschied schwer. Nach all den Jahren wieder morgens ganz allein zu Hause zu sein war ein komisches Gefühl, ein wenig einsam und leer, vor allem, wenn das Haus, in dem man sich befand, noch so fremd war, noch nicht ganz das
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