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Die widerspenstige Braut

Die widerspenstige Braut

Titel: Die widerspenstige Braut
Autoren: Christina Dodd
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Kapitel 1
    LONDON
    Sommer, 1847
    »Es geht nicht darum, dass du eine Taschendiebin warst, Samantha. Es geht darum, dass du deinen Arbeitgebern beständig ihre eigenen Unzulänglichkeiten vor Augen führst, und das schätzen sie nicht.« Die angenehme rauchige Stimme von Adorna, Lady Bucknell, hätte jeden Zuhörer glauben gemacht, dass sie Samanthas neueste Entlassung eher entspannt beurteilte.
    Samantha Prendregast beging diesen Fehler nicht. Sie stand mit gerecktem Kinn und kerzengerade vor dem Schreibtisch, genau wie Adorna es sie gelehrt hatte. »Nein, Ma’am.«
    Das Büro der Vornehmen Akademie der Gouvernanten war hellblau gehalten, und Adornas grazile blonde Schönheit leuchtete wie ein Diamant auf einem Satinpolster. »Ich habe dich vor Mr. Wordlaw gewarnt. Ich habe dir gesagt, dass er ein strenger Zuchtmeister ist, nach dessen Überzeugung man Frauen zwar sehen, aber keinesfalls hören darf. Und du hast mir versichert, dass du keine Probleme mit ihm haben würdest.«
    Samantha widerstand dem Bedürfnis, von einem Fuß auf den anderen zu treten. »Ja, Ma’am.«
    »Dennoch bist du nach nur zwei kurzen Monaten wieder zurück in der Vornehmen Akademie der Gouvernanten, arbeitslos und ohne Referenzen, dafür aber mit der Gewissheit, dass Mr. Wordlaws Rachsucht nicht eher ruhen wird, bis auch noch der Letzte von deinem Ruf als Diebin erfährt.« Adorna stützte ihr Kinn auf ihre verschränkten Hände und richtete ihre großen blauen Augen auf Samantha. »Also, was kannst du dieses Mal zu deiner Verteidigung vorbringen?«
    Samantha überlegte rasch, was sie sagen sollte, wie sie Adorna besänftigen könnte, aber sie hatte das lügen gleichzeitig mit dem Stehlen aufgegeben. »Er tyrannisiert seinen Sohn. Der Junge möchte nicht Jura studieren. Der kleine Norman stottert bereits, und als sein Vater ihn vor die gesamte Familie gezerrt und sich lustig über ihn gemacht hat, habe ich mit ihm gelitten, und ich wollte« – ihr wurde heiß, als sie an diesen Tag zurückdachte, aber vielleicht setzte ihr auch die Sommerhitze in der Stadt zu – »diesem Mann eine Lektion erteilen.«
    »Und deswegen hast du seiner Frau von seiner Geliebten erzählt und seine Geliebte überredet, ihn zu verlassen. Wieso sollte das dem jungen Norman nützen?«
    »Mrs. Wordlaws Vater kontrolliert das Geld. Sie hat Wordlaw gemeinsam mit ihrem Sohn verlassen, was sie schon vor Jahren hätte tun sollen, aber sie war zu stolz, sich ihren Fehler einzugestehen. Normans Großvater wird dafür sorgen, dass Norman seinen Traum verwirklichen kann.« Samantha erinnerte sich noch gut daran, wie fasziniert der Junge von den Naturwissenschaften war. »Ich bin fest davon überzeugt, dass er eines Tages etwas Wundervolles erfinden wird.«
    »Und die Geliebte?«
    Samantha grinste. »Sie ist eine Freundin aus meinen Straßenzeiten. Es war sehr nach ihrem Geschmack, dem alten Hurenbock den Laufpass zu geben und ihn für den jungen Lord Penwyn einzutauschen.«
    »Wodurch erhielt sie diese Chance?«
    »Ich habe es arrangiert.«
    Adornas zarter Seufzer zeugte von Resignation. »Darauf würde ich wetten.«
    »Mylady, es tut mir Leid, dass ich diese Position verloren und Ihrer Akademie Schande gemacht habe.« Es tat Samantha wirklich Leid, mehr als sie sagen konnte. »Aber es tut mir nicht Leid, dass ich Norman geholfen habe.«
    »Nein, das tut mir auch nicht Leid. Aber es gibt wahrhaftig diskretere Möglichkeiten, so etwas zu tun.«
    Samantha hasste es, Adorna enttäuscht zu haben – schon wieder. »Ich weiß. Ich weiß es wirklich. Ich versuche jedes Mal, an das zu denken, was Sie mir beigebracht haben. Aber manchmal verliere ich meine Beherrschung und brauche viel zu lange, um mich wieder zu beruhigen. Und dann ist es meistens zu spät.«
    »Setz dich.« Adorna wies auf den mit blauem Samt bezogenen Stuhl, neben dem Samantha stand.
    Samantha glitt anmutig auf den Stuhl. Adorna hatte sie vor sechs Jahren von der Straße gerettet, und in den ersten drei dieser Jahre hatte Samantha jedes Wort und jede Bewegung von Adorna studiert in der Hoffnung, dadurch ihren Charme und ihre Schönheit auf sich übertragen zu können. Jetzt, im Alter von zweiundzwanzig, sah Samantha der Tatsache ins Auge, dass ein so großes blondes Wesen wie sie, das dazu neigte, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, niemals auch nur annähernd der zierlichen Adorna gleichen würde. Aber während Samantha versucht hatte, Adorna zu ergründen, um ihr nacheifern zu können, hatte sie ebenfalls den
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