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Katrin Sandmann 01 - Schattenriss

Katrin Sandmann 01 - Schattenriss

Titel: Katrin Sandmann 01 - Schattenriss
Autoren: Sabine Klewe
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vorbeifahrender Autos klang gedämpft aber doch nah, so als stünden sie hinter einer Wand. Breuer umfasste ihren Oberarm und stieß sie vor sich her über das unebene Gelände.
    Katrin versuchte sich zu konzentrieren und gegen die Leere in ihrem Schädel anzukämpfen. Sie durfte nicht aufgeben. Noch nicht. Sie waren mitten in der Stadt. Es mussten jede Menge Menschen in unmittelbarer Nähe sein. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, sich bemerkbar zu machen. Sie versuchte langsamer zu gehen und täuschte vor zu stolpern. Aber Breuer schubste sie ungeduldig weiter. Der Boden unter ihren Füßen veränderte sich. Sie spürte die Härte glatten Betons. Plötzlich hielt er sie fest.
    „Vorsicht. Jetzt kommen Stufen.“
    Katrin tastete sich behutsam hoch. Erst stiegen sie eine Treppe hinauf, dann eine weitere und noch eine. Sie hatte das Gefühl, endlos lange hochzuklettern. Zuerst zählte sie die Etagen, aber irgendwann trottete sie nur noch mechanisch weiter.
    „Halt“, rief Breuer plötzlich und zog sie zurück. „Das reicht.“
    Katrin stand vollkommen still. Wo auch immer sie sich befanden, sie hatten kein Dach über dem Kopf. Ein kühler, ungestümer Wind zerrte an ihren Kleidern. Sie musste sich dagegen anstemmen, um gerade stehen zu bleiben. Der Regen, der seit Stunden über der Stadt auf der Lauer gelegen hatte, setzte mit einem Mal ein. Ein einzelner Tropfen klatschte auf ihre Stirn, dann landete ein weiterer auf ihrem Arm. Innerhalb weniger Sekunden schüttete es sehr heftig. Katrin war sofort völlig durchnässt. Die Kleidung klebte an ihrem Körper. Sie fing an zu frieren. Sie hörte, wie die dicken Tropfen auf den Betonboden prasselten. Aber es gab auch das klirrende Schlagen von Regen auf Metall. Sonst vernahm sie nichts. Die Geräusche der Stadt waren allesamt verstummt.
    Dann beugte sich Breuer zu ihr, und das Schnaufen seines schweren Atems löschte jeden anderen Ton in Katrins Ohr. Eine heiße Welle strömte durch ihren Körper, obwohl ihr vor Kälte die Zähne klapperten. Sie spürte, wie er sich an den Handschellen zu schaffen machte. Plötzlich war ihre linke Hand frei. Dann hörte sie erneut das Klicken. Er riss ihr die Augenbinde vom Kopf. Sekundenlang starrte sie verwirrt um sich. Die Lichter der Stadt lagen tief unter ihnen. Der Regen verschleierte ihr Blickfeld. Trotzdem brauchte sie nur wenige Augenblicke, um zu erkennen, wo sie waren.
    Sie befanden sich auf der Baustelle an der Grafenberger Allee. Katrin dachte daran, wie nah und dennoch unerreichbar Roberta war. Sie glaubte sogar, ein schwaches Licht in ihrem Küchenfenster zu erkennen. Ihre Zähne schlugen jetzt so heftig aufeinander, dass das Klappern unheimlich laut klang. Sie blickte sich hektisch um. Sie standen auf der obersten Etage des Rohbaus. Links neben ihr sah sie die Treppe, die sie hinaufgekommen waren. Dahinter erhob sich ein rechteckiges Gebilde, vermutlich das obere Ende des Aufzugsschachts. Ansonsten sah sie nichts, außer ein paar rostigen Moniereisen, die am Rand des Gebäudes ihre bizarren Finger in den schwarzen Himmel streckten.
    Sie wusste jetzt, was Breuer vorhatte. Sie sah auch, warum er ihre linke Hand befreit hatte. Die Handschelle hatte er an seinem eigenen Handgelenk befestigt. Sie waren aneinander gekettet. Das ist das Ende. So hatte er sich ausgedrückt. Er würde sich hinabstürzen. Und er würde sie mit in den Tod nehmen.
    Als Manfred Kabritzky den dunkelblauen Ford Sierra hinter der Baustelleneinfahrt stehen sah, stoppte er seinen Wagen kurz entschlossen am Straßenrand. Ein Laster, der unmittelbar hinter ihm fuhr, bremste quietschend und der Fahrer hupte empört, aber Kabritzky beachtete ihn nicht. Er rannte auf das Baugelände. Das Tor aus Maschendraht stand weit offen. Auf dem sandigen Boden lagen die Eisenkette und das Vorhängeschloss, das jemand gewaltsam mit einer Zange geöffnet hatte. Der Journalist sah sich um. Breuers Wagen stand dunkel und verlassen in der Ecke und es schien niemand in der Nähe zu sein. Ein Regentropfen klatschte auf seine Hand und er blickte nach oben. Der Himmel hing drohend schwarz über ihm. In wenigen Sekunden würde es richtig losgehen. Sein Blick wanderte das halbfertige Gebäude entlang, das gespenstisch still auf dem verlassenen Gelände stand. Er konnte nichts erkennen. Der Wind nahm plötzlich zu. Eine Böe wirbelte eine Plastikplane in die Luft und trieb sie gegen den hölzernen Bauzaun.
    Manfred Kabritzky stürmte in das Gebäude. Er versuchte so schnell und so
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