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Katrin Sandmann 01 - Schattenriss

Katrin Sandmann 01 - Schattenriss

Titel: Katrin Sandmann 01 - Schattenriss
Autoren: Sabine Klewe
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leise wie möglich die Treppen hoch zu steigen. Noch immer vernahm er kein Geräusch außer dem Heulen des Windes und dem gleichförmigen Rauschen des Regens, der jetzt mit ganzer Kraft eingesetzt hatte. Als er auf der neunten Etage angekommen war, hörte er über sich ein dumpfes Poltern. Ohne weiter darauf zu achten, leise zu sein, stürzte er die letzte Treppe hoch. Der starke Regen schlug ihm ins Gesicht und raubte ihm einige Sekunden lang die Sicht. Dann entdeckte er zwei schemenhafte Gestalten am Rand des Dachs. Horst Breuer zog Katrin mit Gewalt hinter sich her. Sie wehrte sich verzweifelt. Er hatte die Rosenschere weggeworfen und zog mit beiden Händen an dem kurzen Stück Kette, das seine linke Hand mit ihrer rechten verband. Sie stemmte sich in die andere Richtung, aber es gelang dem Mann, sie zentimeterweise näher an den Abgrund zu zerren.
    Manfred rannte los. Als er noch etwa fünf Meter von den beiden entfernt war, hatte Breuer den Abgrund erreicht. Er sprang.
    Katrin spürte das Rucken an ihrem Handgelenk bis in die Schulter hinauf. Geistesgegenwärtig breitete sie die Arme aus und griff mit der freien Hand nach den eisernen Monierstäben, die den letzten Halt zwischen ihr und dem Abgrund boten. Das Gewicht Breuers zog sie bis dicht an den Rand. Ein stechender Schmerz zuckte durch ihren Körper, als sie mit dem Bauch gegen zwei der Eisen schlug und vor ihnen hängen blieb. Ein beinahe unerträgliches Ziehen fuhr durch ihr rechtes Handgelenk und jagte hoch bis in ihren Nacken. Sie schnappte atemlos nach Luft und krallte ihren linken Arm fest um die zwei rostigen Stäbe. Sie reichten ihr bis zum Hals und die rauen Enden schnitten in die Haut. Das Blut vermischte sich mit dem Regenwasser und lief unter ihrem Pullover an ihrem durchgefrorenen Körper hinunter. Horst Breuer hing an ihrem Arm und strampelte heftig. Jede seiner Bewegungen verursachte einen rasenden Schmerz und zerrte sie millimeterweise näher an den Abgrund. Benommen und wie im Traum hörte sie seine Schreie unter ihr. Aber dann vernahm sie plötzlich noch eine andere Stimme. Jemand war ganz dicht hinter ihr.
    Eine Hand griff nach Breuers Arm und versuchte, ihn hoch zu ziehen. Manfred Kabritzky klammerte sich ebenfalls an eins der rostigen Moniereisen, etwa dreißig Zentimeter neben Katrin, während er Breuers Arm festhielt. Der Mann wehrte sich heftig. Katrin versuchte ihren Arm vorsichtig hochzuziehen, um Kabritzky zu helfen, aber ihr Körper war wie betäubt, und ihre Glieder gehorchten ihr nicht. Dann sah sie, wie Breuer mit der freien Hand in die Hosentasche fuhr. Noch bevor er den kleinen Schlüssel herausgeholt hatte, wusste sie, was er tun würde.
    „Vorsicht! Er schließt die Handschellen auf, „ rief sie laut. Dann spürte sie, wie das schreckliche Ziehen in ihrem Arm ganz unvermittelt aufhörte. Wie betäubt hing sie vor den Moniereisen.
    Kabritzky hielt Breuer immer noch fest. Aber er fing jetzt an, langsam zur Seite zu rutschen und gefährlich nah an den Abgrund zu gleiten. Gerade als Katrin mit letzter Kraft nach ihm greifen wollte, schrie er plötzlich vor Schmerz auf und zog abrupt seinen Arm zurück. Breuer hatte ihn in den Finger gebissen. Katrin starrte in die Tiefe, wo sein Körper in der Dunkelheit verschwand. Sie lauschte konzentriert auf das Geräusch des Aufpralls, aber sie hörte nur den Wind und den Regen. Ihr linker Arm klammerte sich immer noch verkrampft an die Stäbe, während der rechte schlaff und gefühllos neben ihr hing. Katrin hatte nicht einmal mehr die Energie, vom Abgrund wegzurutschen. Kabritzky lehnte neben ihr. Sein Atem ging schwer.
    „So trifft man sich wieder“, murmelte er und es gelang ihm sogar ein schwaches Grinsen. Bevor Katrin etwas erwidern konnte, wurde ihr schwarz vor Augen.
    Dieter Arnold sah auf seine Frau hinunter. Sie wirkte so hilflos und schwach wie ein kleines Kind in dem großen, weißen Bett. Er wartete geduldig, bis sie von selbst die Augen aufschlug. Sie blickte ihn stumm an.
    Er nahm ihre linke Hand und drückte sie.
    „Es war kein Selbstmord. Tamara wurde umgebracht. Sie haben den Täter überführt. Er ist tot. Hat sich vom Dach eines Hauses gestürzt. Es ist vorbei.“
    Sylvia antwortete nicht. Aber er bemerkte wie eine Bewegung über ihre Gesichtszüge ging. Sie wirkten mit einem Mal weniger verkrampft. Sylvia starrte auf den dicken Verband, der reglos auf der Bettdecke lag, auf die Stelle, wo einmal ihre rechte Hand gewesen war. Sie atmete tief und schloss
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