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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition)
Autoren: Jürgen Magister
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folgte, ging die Alarmsirene los. Wegen mir, verstehst du? Sein Gesicht hättest du sehen sollen, als der Key auf seinem Schreibtisch plötzlich qualmte und ich aus dem Nebel auftauchte. Der große General rief natürlich sofort die Wachen, um mich verhaften zu lassen.“
    Es bereitete Lemming sichtlich Freude, die Geschichte zu erzählen.
    „Und wie bist du wieder freigekommen?“, fragte Sando, dessen Zähne in der kühlen Abenddämmerung klapperten.
    „Ist dir kalt?“
    Lemming musterte Sando besorgt, schüttelte den Kopf angesichts des dünnen Hemdes, das er trug.
    „Ich hab was für dich.“ Auf sein Zeichen hin holte einer der schwarzen Gesellen ein Bündel von seinem Gepäckträger. „Es ist eine Motorradkluft. Sie gehörte einem meiner Freunde und …“ Sein Blick streifte über die Ruinen der Stadt. „… er braucht sie nicht mehr.“ In seiner Stimme klang ein schmerzlicher Unterton.
    „Tu mir den Gefallen und nimm sie, Sando. Ich weiß, sie trifft nicht ganz deinen Stil, aber sie hält warm.“
    Zögernd griff Sando zu. Das Paket roch intensiv nach Leder.
    „Na los! Zier dich nicht!“
    Lemming nahm die Jacke, faltete sie auseinander und hängte sie Sando kurzerhand um. Auch sie trug das B mit der Schlange. Sando fühlte sich nicht wohl in seiner Haut.
    „Ich weiß nicht …“, sagte er abwehrend, als ihm Lemming die Hose hinstreckte, ein martialisches Ding aus Leder mit glänzenden Metallbeschlägen.
    „Wenn du sie nicht anziehen möchtest, leg sie dir wenigstens unter. Das Gras ist feucht.“
    Mikes Fürsorge machte Sando verlegen.
    Ein halbes Dutzend Augenpaare beobachtete ihn, wie er sich auf das Leder setzte.
    „Was war nun mit deiner Verhaftung?“, fragte Sando, um von sich abzulenken.
    „Nun ja, ich habe ein Zauberwort benutzt, um den General dazu zu bringen, mich anzuhören.“
    „Ein Zauberwort?“
    „Ja, es hieß ,Auvisor‘. Ich habe behauptet, du seist mein Freund.“
    „Und daraufhin hat er dich gehen lassen?“
    „Nicht nur das. Er hat mir sogar einen Auftrag erteilt.“
    Er machte eine Pause, um Sando eine neugierige Frage zu entlocken. Doch Sando wartete ruhig ab, denn sein Gegenüber platzte fast vor Mitteilungsbedürfnis.
    „Also …“, begann Mike schließlich umständlich. „Ich bin froh, dich endlich gefunden zu haben. Wo bist du eigentlich untergetaucht? Bei den Behörden wusste man nichts von dir.“
    „Du hast dich nach mir erkundigt? Wozu?“
    „Nun, ich habe den Auftrag, dir eine Botschaft zu übermitteln.“
    „Ach so?“, entfuhr es Sando und Lemming weidete sich an dessen Überraschung.
    „Du musst wissen, General Assadi ist in die Hauptstadt gerufen worden. Er soll solange den Präsidenten spielen, bis die Lage stabil genug ist für die Wahl einer neuen Regierung. Sein Sieg in Makala hat ihm diese Ehre eingebracht.“
    „Und was will er von mir?“
    „Er lässt ausrichten, du mögest bitte umgehend nach New York kommen. Er braucht dich als Auvisor.“
    „Hat er tatsächlich bitte gesagt?“
    „Nun ja, es klang wohl eher wie ein Befehl.“
    Sando seufzte. „Dann habe ich wohl keine Wahl …“
    Lemming sah Sando an wie ein Wundertier.
    „Drängt es dich nicht danach, ganz oben mitzumischen?“
    „Mitmischen? Ich?“ Sando lachte bitter. „Was kann ich schon ausrichten? Wird der General Jannis den Träumer freilassen, nur weil ich es will? Oder die Auflösung des Hades befehlen?“
    Bei der Nennung des Namens „Jannis“ zuckte es in Lemmings Gesicht, doch zu Sandos Erstaunen verkniff er sich den Hohn, mit dem er sonst Ansichten, die den seinen widersprachen, zu begegnen pflegte. Beinahe versöhnlich sagte er: „Ich will jetzt nicht mit dir streiten, ob das, was du willst, sinnvoll ist, Sando. Aber wenn du dich hier in der Provinz verkriechst, wirst du erst recht nichts ausrichten können.“
    Er holte aus seiner Kluft einen Briefumschlag und hielt ihn Sando wortlos hin. „Was ist das?“ Sando riss das Kuvert auf und entnahm ihm ein gefaltetes Blatt Papier, in das ein Foto eingeschlagen war. Es zeigte einen arabischen Jungen, der dem Betrachter mit dunklen Augen entgegenblickte.
    „Kennst du ihn?“, fragte Mike neugierig.
    „Nein. Sollte ich ihn kennen?“, fragte Sando und stutzte.
    Diese Augen! Er fühlte sich von dem Blick des Jungen auf dem Foto seltsam berührt.
    „Wer ist das?“, wollte er wissen.
    „Ich weiß es nicht“, erklärte Lemming. „Du sollst darüber entscheiden, ob er in den Hades kommt.“
    „Ich? Wie komme ich
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