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Kastell der Wölfe

Kastell der Wölfe

Titel: Kastell der Wölfe
Autoren: Jason Dark
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ich!«
    Der Meinung war ich inzwischen auch. Noch saßen wir sehr dicht bei ihm. Das änderten wir schnell. Wir gaben ihm so viel Bewegungsfreiheit, dass er ohne Probleme aufstehen konnte.
    Er begriff schnell. Dann richtete er seinen Körper in die Höhe. Dabei beobachtete er uns weiterhin mit misstrauischen Blicken.
    Wenn man sich nicht durch Worte verständigen kann, war ein Lächeln die beste Lösung.
    Das taten wir. Ob sich der Junge dadurch entspannte, war nicht zu erkennen, aber er tat etwas, was uns beide schon verwunderte. Wir hatten ihn bisher nur wie ein Tier laufen sehen. Nun wollte er uns offenbar beweisen, dass etwas Menschliches in ihm steckte. Er reckte die Arme hoch, bekam so die Kante der Mauer zu fassen und zog sich hoch. Er streckte sich und stand plötzlich völlig normal auf den Füßen.
    Damit hatten wir nicht gerechnet.
    Er stand unsicher, seine Beine zitterten. Es sah so aus, als würde er in den Knien zusammensacken, aber er hielt sich an der Mauer fest und schaffte es, auf den Füßen zu bleiben.
    Jetzt drehte er sich nach rechts. Eine Hand ließ er auf dem Mauerrand liegen. Er wollte sich abstützen, denn er tat jetzt etwas, was für ihn offensichtlich neu war.
    Er ging aufrecht. Er setzte sich in Bewegung, ohne sich um uns zu kümmern. Er floh auch nicht, sodass wir schon ein erstes Fazit ziehen konnten, das Bill Conolly aussprach.
    »John, der will uns was zeigen. Der will uns hinführen.«
    »Das denke ich auch.«
    Alles lag in der Hand des Jungen. Wir mussten ihm vertrauen. Offensichtlich hatten wir es geschafft, sein Vertrauen zu erlangen. Sonst hätte er anders reagiert.
    Der Weg führte an dem Mauerrest entlang, der sich an seinem Ende hin absenkte und dort von einer dicken Pflanzenschicht überwuchert worden war. Auf dem Boden wuchs das weiche Gras in unterschiedlicher Höhe. Es bedeckte die meisten Steine, die leicht zu Stolperfallen werden konnten. Wir hoben sicherheitshalber die Füße immer sehr hoch an.
    Kaum war die Mauer als Stütze verschwunden, sackte der Junge wieder zusammen. Er glitt hinein in seinen alten Trott und bewegte sich auf Händen und Füßen weiter. Jetzt war er wieder das Tier, das unter Tieren groß geworden war.
    Er wollte, dass wir ihm folgten, sonst hätte er sich nicht immer wieder umgedreht und uns angeschaut.
    Allmählich wurde es spannend. Wir waren tiefer in den Wald eingedrungen. Es gab nicht nur die dichte Natur, sondern auch die Mauern des alten Kastells, und wir gingen davon aus, dass wir dem Ziel nahe waren.
    Der Junge führte uns nach rechts. Zuerst war dort nichts zu sehen, aber er fand zielsicher den Weg durch das Gestrüpp, um zu einem bestimmten Punkt zu gelangen.
    Nachdem wir die Sträucher passiert hatten, blieben wir überrascht stehen. Vor uns lag ein Haus, ein viereckiger Kasten, den die Pflanzen nicht ganz hatten überwuchern können. An der uns zugewandten Seite existierte eine Öffnung, eine ehemalige Tür.
    »Hier muss es sein«, flüsterte Bill.
    »Denkst du an die Wölfe?«
    »Auch.«
    »Leider ist nichts zu hören.« Ich hatte mich wirklich darauf eingestellt, etwas auf dem akustischen Weg zu erfahren, was mir leider nicht gelang.
    Trotzdem waren wir richtig. Der Junge hielt sich nicht lange mit irgendwelchen Zeichen auf, sondern sprang über die Schwelle in das dunkle Haus.
    Sofort war er unseren Blicken entschwunden. Wir wollten nicht, dass es so blieb, und hatten zwei Sekunden später die Schwelle ebenfalls überschritten.
    Es wurde finster. Ich wollte wieder die Lampe einschalten, als ich an meiner linken Hand eine Berührung spürte. Der Junge fasste mich an und zog mich weiter. So groß war sein Vertrauen mittlerweile geworden, was mich natürlich freute.
    Ich zog die Hand auch nicht zurück, und so glitten wir tiefer in die Dunkelheit. Ich verließ mich auf den Jungen und merkte, dass der Weg etwas bergab führte. Unter meinen Füßen befand sich kein Lehm, sondern alte Steine.
    Der Junge blieb stehen. Ich merkte, dass er mich zurückdrückte, als wollte er mich vor etwas warnen.
    »Was ist denn?«, flüsterte Bill hinter mir.
    »Keine Ahnung.«
    »Warte mal.«
    Bevor ich Bill eine Frage stellen konnte, hatte er bereits ein Feuerzeug hervorgeholt. Er schnippte es an, eine kleine Flamme tanzte auf der Düse. Viel Licht machte sie nicht. Doch das wenige reichte aus, um die erste Stufe einer nach unten führenden Treppe zu erkennen, die noch intakt war.
    Klar! Wie hätte es auch anders sein können. Jetzt noch an eine Treppe
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