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Cachalot

Cachalot

Titel: Cachalot
Autoren: Alan Dean Foster
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1. Kapitel
    Mustapha Ali saß am Ende von Rorqual Towne und war nicht seekrank. Nur ein Fremder hätte daran etwas auffällig gefunden. Mustapha hatte sein ganzes langes Leben auf Cachalot verbracht, und die auf jener Welt Geborenen wissen weniger von der Seekrankheit, als ein Wurm vom Andromedanebel. Alle auf Cachalot Geborenen haben zwei Wiegen: ihre Pflegestätte und jene andere größere Pflegestätte der allumfassenden Mutter Ozean. Und wer von anderen Welten nach Cachalot kam, blieb nicht lange, falls sich herausstellte, daß er unter Bewegungskrankheit litt.
    Da hatte die Geschichte und der Zufall einen großen Wandel herbeigeführt, dachte Mustapha und ließ seine dunkelbraunen Beine über die Dockseite hängen. Sie hingen vielleicht einen Meter über dem tiefen, grün-schwarzen Wasser. Seine Vorfahren waren aus einem hohen, trockenen Ort der Erde gekommen, wo die See nur ein Märchen war, das man Kindern mit großen Augen erzählte. Und hier lebte er an einem Ort, wo man das meiste Land importieren mußte.
    Seine Vorfahren hatten das Spiel mit viel Freude gespielt. Er bedauerte es sehr, daß er die Tradition des Spiels nicht fortsetzen konnte. Denn wo auf Cachalot konnte man fünfzig gute Reiter und eine tote Ziege finden? Mustapha hatte sich damit begnügt, Champion im Wasserpolo zu werden, nachdem er in seiner Jugend jenes Spiel und seine vielen Varianten gemeistert hatte. Verglichen mit dem Spiel seiner Vorfahren war es sehr sanft gewesen und hatte ihn nicht sehr gefordert.
    Jetzt mußte er sich damit begnügen, weniger anstrengende Freuden zu erleben, aber unglücklich war er nicht. Die altmodische Angel, die er über das Wasser hielt, hatte er in seiner Freizeit aus einer Antenne gemacht. Die Angelschnur, die durch eine Kerbe am anderen Ende führte, verschwand unter der Wasseroberfläche unter dem Dock. Einst hatte die Antenne dazu gedient, unsichtbare Worte von jenseits des Himmels und des Wassers ausfindig zu machen. Jetzt half sie ihm, kleine, wohlschmeckende Fische auf viel kürzere Distanz zu finden.
    Mustapha blickte zu den Wolken auf, die am Himmel dahinzogen, zuckte zusammen, als ihn ein Regentropfen ins Auge traf. Das Gewitter, das sich möglicherweise dort oben zusammenbraute, würde nicht besonders heftig werden. Der Himmel sah wie immer drohender aus als es sich am Ende erweisen würde. Der Donner prahlte und grollte, vermochte den alten Fischer aber nicht von seinem Platz zu verdrängen.
    Hinter ihm ruhte die Stadt Rorqual fest auf der Oberfläche. Das nächstliegende echte Land, die Swinburne-Untiefe, lag dreißig Meter darunter. Dennoch saß die Stadt reglos auf dem Meer. Eine komplizierte Konstruktion von Kielschwertern, Auslegern und Gegendüsen bewirkte das, auch wenn das Meer unruhiger wurde, sorgte dafür, daß die Stadt unbewegt blieb, um ihren Bewohnern den Anschein von Stabilität zu bieten, und dem alten Mustapha einen sicheren Ort, von dem aus er fischen konnte.
    Das Dock war jetzt leer, die Fangboote und Sammler waren draußen bei der Arbeit. Der lange Streifen unsinkbaren grauen Polymers verschwand unter einem Lagerschuppen; schließlich war das Dock nur eine von Dutzenden solcher Stützen für die Stadt.
    Aber es gab keine Gegendüse oder Kielschwert, um das Dock völlig bewegungslos zu halten. Vier Meter breit und genauso dick, bewegte es sich sachte im natürlichen Rhythmus der See. Deshalb zog Mustapha es vor, vom Dockende aus zu fischen und nicht von einer der stabileren äußeren Straßen der Stadt. Wenn er mit dem Ozean und seinen Bewohnern spielte, zog er es vor, ihre Umgebung zu verspüren. Das war wie eine Kadenz, ein zähflüssiger Marsch, der ebenso Teil seines Lebens war wie sein eigener Herzschlag.
    Der Regen begann jetzt auf ihn einzupeitschen und durchtränkte sein langes, weißes Haar. Er ignorierte ihn. Die Bewohner der schwimmenden Städte von Cachalot hatten ebenso oft Wasser auf der Haut wie Luft. Hier in Äquatornähe waren die dicken Tropfen warm, ja fast heiß. Er spürte sie auf seiner nackten Brust. Sie rollten von seiner kahlen Stirn und juckten in seinem herunterhängenden Schnurrbart.
    Die Stange teilte seinen Fingern etwas mit. Er hob sie an. Ein kleiner gelber Fisch krümmte sich am Haken. Seine vier blauen Augen starrten stumpf in das fremdartige Medium, in dem er sich plötzlich fand.
    Mustapha überlegte, ob er ihn vom Haken nehmen sollte und entschied dann, daß der Fisch ihm besser als Köder für einen größeren Artgenossen dienen würde.
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