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Kaltgeschminkt (German Edition)

Kaltgeschminkt (German Edition)

Titel: Kaltgeschminkt (German Edition)
Autoren: Rona Walter
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schüttelt tadelnd den Kopf und schlingt beide Arme fester um meine Hüfte. Ein weites Stück vor uns taucht auf einmal reges Treiben auf. Zwei große Feuer erhellen die dichte Dunkelheit, Geigenmusik zerreißt das Rauschen des Meeres, Menschen tanzen ausgelassen vor grellem Schein. Ärgerlich bin ich nicht, denn ein verstecktes Plätzchen für uns werde ich auf jeden Fall finden. Wir beeilen uns, um uns das Spektakel anzusehen. Rachelle läuft ein Stück voraus, das lange Haar weht hinter ihr her wie ein flammender Schal. Ich schlendere entspannt den Strand entlang. Heute feiern wir Imbolc , den Übergang des Winters in die erste Jahreszeit. Ich lege den Kopf weit in den Nacken und bestaune lächelnd den vollen Mond. Rachelle taucht neben mir auf. Von fern winken mir ein paar Jungen, die ich aus Taynuilt kenne. Sie nimmt meine Hand, zerrt mich mit sich. Ich sinke entspannt in den warmen Sand, fühle die laue Nacht um mich herum. Meine Liebste lässt sich auf meinen Schoß fallen, und küsst mich leidenschaftlich.
    »Hier könnte ich ewig bleiben«, schwärmt sie verzückt.
    »Nur solange, bis dir der Sand in der Pofalte auf den Geist geht, befürchte ich.«
    Zur Strafe verwehrt sie mir den Entschuldigungskuss. Wie ein Ertrinkender umklammere ich sie, als plötzlich einer der Jungen auf uns zukommt.
    »Hat die Lady Lust auf einen Tanz?«, fragt er frech.
    Entgegen dem Feuerschein erkenne ich ihn. Ihm gehört die Autowerkstatt im Dorf. Ich nehme mir vor, mit der Begleichung der Rechnung für Rachelles Autoreparatur noch ein wenig zu warten. Sie springt auf, ergreift die dargebotene Hand und lächelt mir glücklich zu, während sie im Widerschein des Feuers zu einem wirbelnden Schemen wird. Ich stütze mich auf die Ellbogen, lockere meine Krawatte und betrachte erregt ihren ausgelassenen Tanz. Irgendwann unterhalte ich mich mit einem der Buchhändler, bei dem ich Stammkunde geworden bin in den letzten Monaten, doch er flüchtet beinahe, als meine Feenkönigin auf mich zuspringt. Sie plumpst geradewegs auf mein Gemächt. Ich stöhne vor Schmerz auf.
    »Entschuldige. Du wolltest doch keine Kinder, oder?«
    Ich verneine gequält. Selbst wenn ich jetzt noch gewollt hätte … mit mir endet wohl eine in jedweder Hinsicht bedeutungslose Linie, von der absolut gar nichts abhängt. Das reißende Geräusch in ihrem Kleid klingt mir allerdings noch in den Ohren.
    »Oweh«, jammert sie gespielt mädchenhaft, macht ihre Augen zu riesigen Kugeln und legt ihre Fingerspitzen an die Lippen.
    »Ich glaube, du musst mir ein Neues kaufen.« Sie steckt den Finger durch einen kleinen Riss an ihrer Seite. »Oder eine Brustverkleinerung spendieren. Der hier passt nicht ganz rein.«
    Ich streiche über die üppige Wölbung an ihrem Dekolleté. »Kommt nicht infrage. Ich will dich genau so.«
    »Im zerrissenen Kleid?«, meint sie kokett.
    »Auch. Du raubst mir den Atem.«
    Ich umschlinge ihre langen Beine mit meinen, fessle sie eng an mich. Die Musik nimmt zu, scheint mit einem Mal intensiver. Rachelle küsst mich heiß auf den Hals, knöpft das Hemd ein wenig auf, beißt mich zuerst leicht in die Schulter. Dann fester.
    »Ah!« Ihre Zähne graben sich schnell und brutal in mein Fleisch, bis sie auf den Knochen darunter stoßen. Ich sinke mit halb geschlossenen Augen zurück, lasse sie nehmen, was sie braucht. Sie steht darauf, glaube ich. Ab und an gibt sie sich diesem Fetisch hin, ich habe nichts dagegen. Anfangs hat es mich geängstigt, jetzt ist es normal geworden. Außerdem – irgendwie fühle ich, dass ich ihr das nicht verwehren darf …
    Sie trinkt, knabbert an mir, leckt über das salzige, glatte Fleisch. Lange schon fühle ich mich geschwächt, aber die Liebe zu ihr macht mich resistent gegen dieses kraftzehrende Ritual. Ich regeneriere mich immerhin in den Monaten, die dazwischen liegen, zwischen diesen Strapazen für meine körperlichen Kräfte und die damit einhergehende seelische Abnutzung. Anfangs benutzte sie ein gekerbtes Stilett oder etwas in der Art, indes ist sie verliebter denn je in mich, wilder, bis zu meinem Ende, wie ich scherzhaft anmerken will. Niemand nimmt von uns Notiz. Doch, der Mechaniker grölt etwas von Masochismus zu seinen Freunden und zeigt in unsere Richtung. Sie stoßen auf uns an. Ich öffne die Augen ein Stück mehr. Im unechten Licht dieser künstlich erhellten Nacht mache ich eine Entdeckung. Vorsichtig lege ich meine Hand auf den Kopf meiner Geliebten, auf das Haar, das ein Eigenleben entwickelt,
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