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Kaltgeschminkt (German Edition)

Kaltgeschminkt (German Edition)

Titel: Kaltgeschminkt (German Edition)
Autoren: Rona Walter
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ist androgyn und ich erkenne zwei helle schmale Grundrisse in dem verwischten Oval seines Gesichtes. Er rührt sich nicht. Vor ihm schlängelt sich ein Ausläufer des Weges, dunstig und weich im Schummerlicht. Ich wage kaum nach links zu sehen, dorthin, wo er sich aufhalten muss. Derjenige, der mich zum verängstigten Mädchen machen will, dessen Herz von hungrigen Wilden begehrt wird. Ich spreche es in Richtung meines Begleiters aus.
    »Dich zum Mädchen zu machen, war gewiss gar nicht erst nötig«, donnert es, als würde jemand direkt in meinem Ohr sitzen. »Dein Schatten zeigt bereits, was du unter dieser plumpen Hülle verbirgst, noch ehe man dich überhaupt bemerkt.«
    Ich widerstehe der Versuchung, mich nach meinem kurzfristigen Freund umzusehen um zu prüfen, ob er mich bereits allein gelassen hat. Der Chaosherr lacht dröhnend und wie von unsichtbaren Tentakeln gelenkt, wende ich ihm mein Gesicht zu. Da ist nur Schwärze. Nicht wie bei dem Schattenboten, nicht wie Rachelles fließendes Haar. Einfach dichte, undurchdringliche Schwärze. Kein Glimmen von Raubtieraugen, wie man jetzt sicher erwarten möchte. Keine vor Gier weißglänzenden Reißzähne. Aber ein gehörnter Helm, den er auf dem massigen Schädel trägt. Den vierschrötigen Körper in Umhänge gehüllt, die heftig im imaginären Wind flattern, steht er stolz am Ende des Weges, der seine spitzen Steinchen äußerst einladend miteinander umhertollen lässt. Ein Strudel aus Kies. Ich frage mich, wer zum Henker sich schon für diesen Weg entscheiden sollte. Vor uns tummeln sich ein paar Seelen, die meisten davon flackernd. Ich stelle mich auf die Fußballen und beobachte, wie diese von dem grauen Schatten in der Mitte die Hand an die Stirn gelegt bekommen. Es wird also gemessen und gewogen. Und dann verteilt. Zack, einer nach rechts, an die verblendende Hand der Mondgöttin, die dem gierigen Geist seine letzte Marter zufügen soll. Zack nach links, mit einer kurzen Handbewegung. In die Arme des Chaosherrn und seiner ewigen Folter. Einige kassiert die Einsame Trinität selbst ein, um mit einem Leben als Huhn oder Primel oder – schlimmer noch - Politesse bei den Provinzlern, zu strafen. Die Schlange wird kürzer. Einmal höre ich Gelächter, kann jedoch nicht erkennen, weshalb. Das grollende Lachen von Arcaeon und das hämische Kichern der Trinität habe ich durchaus erwartet. Was mich jedoch schockiert, ist das kalte, harte Juchzen der Monddame Gaja , die mich daran erinnert, dass auch sie keinesfalls ein Lichtwesen ist. Scheinbar haben sie gerade eine Wette am Laufen. Und dann erkenne ich plötzlich den Sinn hinter alldem. Aber nicht so schnell – schließlich haben wir ja die Ewigkeit Zeit.
    Endlich ist mein Begleiter an der Reihe. Er schreitet den nebeligen Pfad entlang, bleibt wankend stehen. Die Trinität legt ihm drei graue Nebelfinger an die Stirn. Jetzt erst bemerke ich, dass er nicht flimmert, der Gummifreund. Er hat also ein schmutziges kleines Geheimnis – und ist damit am Zug. Ich sehe Gaja und Arcaeon verschmitzte Blicke tauschen, und dazu benötigen sie keine Augen. Die meisten entscheiden sich wohl für ›Blac‹ , da das Versprechen auf ein neues Leben besteht. Viele lassen sich von ›Avronelle‹ blenden, da sie die vermeintliche Erfüllung ihrer Wünsche, ihre eigenen Himmel, erwarten. Eine Belohnung. Nur Arcaeon kann kaum locken, ausschließlich vielleicht Psychopaten, die diese Qual wollen. Oder bis zur Selbstzerstörung gläubige Selbstmörder und Reumütige, die dadurch zum ersten Mal Schuld bekennen und sich martern wollen. Und Masochisten, so wie meinen.
    »Ich entscheide mich für das Chaos«, sagt der prompt lüstern lächelnd. Und Gaja zieht eine Schnute. Arcaeon klatscht einmal in die großen Hände und mein Freund verschwindet winkend in dessen gelüpften Schattenumhang.
    Dann komme ich. Ich beschließe, gleich mit der Tür in das Dämonenhaus zu fallen. »Warum tut ihr das?«, schieße ich heraus.
    »Willkommen, Harris«, raunt Gaja nach einer Weile.
    »Du schon wieder«, zischt die Trinität und packt mich grob am Kragen.
    »Gib Ruhe!«, donnert der Gehörnte und reglementiert seinen Kollegen gewohnt grob. Dann beugt er sich zu mir hinab, den stechenden Blick der metrosexuellen Trinität ignorierend. »Weil wir es können. Und es liegt in unserer Natur … Nichts ist immerhin vollkommen. Und nichts ist sinnvoll. Das solltest du aber inzwischen begriffen haben.«
    Ich starre ihn an. Mir fällt dazu nichts ein. Oder
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