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Kaltgeschminkt (German Edition)

Kaltgeschminkt (German Edition)

Titel: Kaltgeschminkt (German Edition)
Autoren: Rona Walter
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… doch. Und zwar Folgendes: »Nun, viele halten es bestimmt für überaus sinnvoll, eine Überzahl an soziopathisch veranlagten Irren zu sammeln, um mit ihnen ein Ungleichgewicht herzustellen, mit dessen Hilfe sich die Konkurrenten ganz leicht übertrumpfen lassen. Mal ehrlich, welcher normale Mensch sollte sich schon für eine Marter in alle Ewigkeit entscheiden, wenn man doch die Chance auf ein erneutes Leben hat. Oder sich, mit ein wenig gesundem Menschenverstand, seinen eigenen tatsächlichen Himmel schaffen könnte? Ich zumindest würde einen Putsch anstreben, wenn ich in deiner Situation wäre.«
    Noch während ich zu Atem komme, nach diesem längsten Monolog meines Lebens, und mir Gendanken darüber mache, ob es richtig war, den Herrn des Chaos salopp zu duzen, lacht er dröhnend auf, dass der Boden bebt. Noch während er sich eine Träne aus dem schattigen Augenwinkel wischt, sagt er: »Ein solcher Unfug verdient es nicht einmal, widerlegt zu werden. Allerdings sehr köstlich! Wirklich geistreich!«
    Niemand sonst lacht. Hinter verblendeten Augen, schiefsitzenden Maskeraden und grotesk verzerrten Mimiken lese ich allerdings unverhohlenes Interesse und leisen Spott. Und Sensationsgier natürlich, der Menschen höchstes Gut. Mir ist schon bewusst, dass ich niemals gegen eine solche Übermacht gewinnen kann . Doch in Anbetracht meines recht kurzfristigen Abgangs bin ich nicht geneigt, kampflos aufzugeben. Außerordentlich interessant finde ich es nur, dass sowohl die Trinität als auch Gaja gespannt schweigen.
    »Du sagst, der Herrscher des Chaos stellt hinter unserem Rücken eine Armee aus dunklen Seelen auf, um ›Blac‹ und ›Avronelle‹ zu … überbieten, um was zu tun?«, raunt die Trinität leise. Ihr Atem ist fauliger Dunst, der in meinen Augen brennt.
    »Zuerst einmal: Nein, ich sage, er stellt eine Armee aus den Bösartigsten unter den Dunklen hinter eurem Rücken auf, um genau das zu tun, was Bösewichte nun einmal tun. Er will alles beherrschen und unterjochen! Er will der Herrscher des Todes sein! Das liegt doch auf der Hand«, raune ich, als es totenstill bleibt. Vereinzeltes Hüsteln und ungeduldiges Schnaufen dringt von hinten zu mir. Jemand stößt mir leicht in den Rücken. Ich soll endlich hinmachen und abtreten.
    »Und das soll uns was interessieren?«
    Hätte die Trinität sichtbare Augenbrauen, sie würde eine davon nun spöttisch heben.
    »Naja, ihr verliert das Spiel«, stottere ich verdutzt und verabscheue mich dafür, so zögerlich zu klingen.
    »Und was soll uns das kümmern?«
    Er breitet belustigt die Arme aus, sein beifallheischender Blick soll mich wohl verunsichern. Treffer. Ich beschließe meinen Mund zu halten.
    »Meine Kammern und die meiner Kollegen sind voll, wir haben alle genug Seelen, die uns bereichern. Und wir haben unseren Spaß!«
    Um mich herum brandet zustimmendes Gemurmel auf, einige grölen sogar begeistert, ungeachtet dessen, dass sie selbst der Spieleinsatz sind, den sie gleich zur Kasse bitten. Bekümmert frage ich mich, wann die Menschheit endlich keine Idioten mehr hervorbringen wird.
    »Was meinst du ist der Sinn unserer Wetten, hm? Dass wir einfältige Spielsüchtige sind, die um ihre Hierarchien spielen?«, fragt mich Gaja eisig. Keine Spur mehr von Milde in ihrer zarten Stimme.
    Ehrlich gesagt: Ja, das habe ich. Aber jetzt, da sie es so ausdrückt, komme ich mir doch ein wenig anmaßend vor … und klein, zum ersten Mal in meinem Leben und Sterben.
    »Niemand ist Gewinner und Verlierer. Wohl kaum spielt es eine Rolle, wer die meisten Seelen sammeln kann, mein unwissender Bauer. Und was sollte es ihm hier schon bringen?«
    Ich begreife, ich befinde mich im Zugzwang. Der nächste befördert mich in eine unüberwindliche Lage, aus der ich nur als Verlierer hervorgehen kann. Doch ich muss … und ich ziehe.
    »Macht«, sage ich. »Ehrgeiz. Darum geht es doch immer.«
    Ihr gleißendes Gesicht dringt tief in mich ein. Angestrengt suche ich nach ihren Augen. Ich blinzle in das undurchdringliche Dunkel zu meiner Linken. Der Schatten schaut zurück, erwidert meinen Blick, und ich spüre lediglich, wie er abwartet. Sehen sie nicht, was er vorhat? Welche Macht er will? Oder wollen sie nicht. Ist es nicht einfacher, wegzusehen und weiter zu machen wie zuvor? Ja, aber auch menschlich. Und auf diesem Terrain befinden wir uns hier nicht.
    Dann nimmt die Mondgöttin ihre schwarze Königin auf und beendet remis das Spiel. »Wir haben alle dieselbe Stärke in uns. Es
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