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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift
Autoren: Nigel McCrery
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Koma fallen, bevor er die Tasse ausgetrunken hatte, und innerhalb
einer Stunde tot sein.
    Dabei fiel ihr ein – wo war Eunice? Trotz der Dosis
Cyanid, die Daisy ihr verpasst hatte, war sie nicht mehr oben in ihrem
Schlafzimmer gewesen. Als Daisy die Türglocke hörte, hatte sie
entsetzliche Angst gehabt, Eunice könnte die Treppe hinuntergetappt
sein und in einer Art Delirium die Tür geöffnet haben, doch es fehlte
jede Spur von ihr. Wo konnte sie bloß stecken?
    Aber das musste warten. Eins nach dem anderen: Erst musste sie
sich den Polizisten vom Halse schaffen.
    Sie zog die Besteckschublade auf und nahm ein Fleischermesser
aus dem Plastikeinsatz, in dem es steckte: ein langgestrecktes graues
Metalldreieck, das zu einer rasierklingenscharfen Spitze auslief. Der
Gedanken, ein Messer zu benutzen, gefiel ihr nicht sonderlich, doch es
war eine brauchbare Rückversicherung. Nur für alle Fälle.
    Sie trat aus der Küche und hielt lässig ein Geschirrtuch in
der Hand, unter dem das Messer verborgen war. »Wie ungeschickt von
mir«, sagte sie, »ich muss mich entschuldigen.«
    Der Polizist hielt eine leere Tasse in der Hand. Er musterte
sie mit leichtem Stirnrunzeln, zwei Falten bildeten sich zwischen
seinen Augenbrauen.
    »Oh«, sagte sie übertrieben eifrig, »Sie trinken aber schnell.
Möchten Sie noch eine Tasse?«
    »Nein … nein danke«, sagte er. Sie bemerkte mit
Vergnügen, dass seine Hand ein wenig zitterte, und auf seiner Stirn lag
eine feine Schweißschicht. »Der Kaffee ist mir ein bisschen …
ein bisschen zu stark. Danke, mir reicht diese eine Tasse.«
    »Wie Sie wünschen«, meinte sie und setzte sich. Ja, eine Tasse
reichte. Sie hatte das ja bei Jasper ausprobiert, und dann noch einmal
bei Eunice – wo immer sie jetzt stecken mochte. Ein Mann war
natürlich eine unbekannte Größe – sie hatte außer Frauen noch
nie jemanden vergiftet –, doch sie glaubte nicht, dass der
Unterschied an Größe und Geschlecht die Dinge um mehr als ein paar
Minuten verzögern würde. Und wenn doch, nun, sie hatte ja noch das
Messer.
    Der Polizist stellte seine Tasse auf dem Tisch neben sich ab.
Er verschätzte sich mit dem Abstand, fuchtelte ein bisschen herum und
knallte die Untertasse hart auf die Glasur des Tisches. »Ich glaube,
ich sollte jetzt … gehen …«, sagte er. »Vielleicht
könnte ich ja wiederkommen, wenn Daisy Wilson hier ist.« Er versuchte
aufzustehen, doch er konnte anscheinend seine Bewegungen nicht
koordinieren. Seine Hände rutschten von den Armlehnen, er kippte
seitwärts und richtete sich langsam wieder auf. »Was ist denn los?«,
fragte er undeutlich.
    »Wahrscheinlich spüren Sie gerade, wie Ihr Magen rebelliert«,
erwiderte sie. Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück und legte das
umwickelte Messer in ihren Schoß. »Das ist Ihr Verdauungssystem, das
die cyanogenen Glykoside aus den Aprikosenkernen zu Cyanwasserstoff
hydrolisiert. Auch Blausäure genannt, wenn Ihnen das besser gefällt.
Sie werden sich zunehmend müder fühlen, wenn die Cyanide durch Ihren
Körper geschwemmt werden, und es konnte auch sein, dass Sie anfangen,
sich zu übergeben, obwohl ich das wirklich nicht hoffen will. Ist so
eine lästige Angelegenheit, diese Aufwischerei. Aber das ist das
Problem bei Gift – anscheinend will der Körper es partout
ausstoßen, obwohl es dazu gewöhnlich zu spät ist.«
    »Aprikosen?«, fragte der Polizist.
    »Aprikosenkerne«, korrigierte sie ihn.
»Ich habe sie zerrieben und mit dem Kaffeepulver vermischt. Ich hatte
gehofft, die Bitterkeit des Kaffees würde einen möglichen
Nebengeschmack kaschieren. Konnten Sie denn etwas
schmecken? Das wüsste ich wirklich gern. Möglich, dass ich diese
Methode irgendwann wieder einmal anwenden möchte. Bei einer anderen
alten Frau.«
    Mit einem Ruck wollte er aus seinem Sessel hochfahren, und
Daisy ließ das Geschirrhandtuch zur Seite gleiten, damit der Polizist
sah, dass sie ein Messer in der Hand hielt. Die Klinge blitzte im
Licht. »Ich schlage vor, Sie bleiben schön sitzen, während das Gift
sich ans Werk macht. Wenn Sie versuchen, aufzustehen, muss ich Sie
erstechen, und das wäre doch ein Jammer.«
    »Madeline«, sagte er, »Madeline Poel.«
    »Nein.« Sie schüttelte energisch den Kopf. »Es gibt keine
Madeline Poel. Ich bin Daisy Wilson, genauso, wie ich vorher Violet
Chambers war, und als Nächstes werde ich Eunice Coleman sein. Madeline
ist längst weg.«
    »Sie werden zu diesen Personen? Sie übernehmen
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