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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift
Autoren: Nigel McCrery
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ihre
Identitäten?«
    »Ich war schon immer gut darin, andere nachzuahmen. Ich
genieße es, Leute zu beobachten, hinter ihre kleinen Schwächen und
Gewohnheiten zu kommen. Und das hat sich im Laufe der Jahre ja auch
ausgezahlt.«
    »Aber Sie tun das nicht des Geldes wegen, nicht wahr?«
    »Das Geld ist eine angenehme Zutat«, bekannte sie fast
widerstrebend. »Es sorgt dafür, dass ich es behaglich habe.« Sie beugte
sich vor. »Übrigens – wie fühlen Sie sich? Zittern Ihre
Glieder schon? Können Sie die Trockenheit im Mund fühlen?«
    »Aber reich sind Sie nicht, und Sie werden auch niemals reich
sein. Sie haben sich alte Damen ausgesucht, die niemand vermisst, aber
Sie haben sich auch solche ausgesucht, die nur wenig Geld haben. Nichts
zu Auffälliges.«
    »Ich kann eben Protzerei nicht leiden«, sagte sie. »Sie müssen
doch jetzt Beschwerden in den Eingeweiden verspüren. Das wird noch
schlimmer. Viel schlimmer. Wie gesagt, das Saubermachen wird lästig
sein, aber der Zweck heiligt die Mittel.«
    »Aber das Geld ist Ihnen gar nicht so wichtig«, beharrte er.
»Sie tun es um der Behaglichkeit willen, gewiss, aber Sie hätten doch
bei jeder Etappe aufhören können. Sie hätten aufhören können, als Sie
Rhona waren, oder Deirdre, oder Kim, oder Violet, oder Daisy. Was ist
es, was Sie immer weiter angetrieben hat?« Daisy wandte den Blick von
ihm ab. Seine Fragen beunruhigten sie. Es wäre ihr lieber gewesen, er
wäre in aller Stille gestorben, oder höchstens mit ein bisschen Stöhnen
und Japsen.
    »Gewohnheit, nehme ich an«, sagte sie leichthin. »Ich glaube,
jetzt dröhnt Ihnen wohl der Kopf? Ich werde es genießen, Sie sterben zu
sehen.«
    »Vor was sind Sie davongelaufen?«
    »Vor gar nichts. Ich wollte bloß in Sicherheit sein.« Sie hob
das Messer und zeigte damit auf ihn. »Wir sind uns schon einmal
begegnet, stimmt's? Vor langer Zeit. Da habe ich Ihnen auch Tee
angeboten.«
    »Vor was laufen Sie davon?«
    Urplötzlich schnellte ihr Arm vor, stieß mit dem Messer den
kleinen Tisch um, so dass ihr vergessener Kaffee durchs Zimmer
spritzte. »Vor meiner Großmutter!«, schrie sie,
und die Worte quollen aus ihr heraus wie ein Sturzbach, kollidierten
beinahe miteinander. »Ich bin vor meiner Großmutter davongelaufen
und vor dem, was sie mir angetan hat, was sie meinen Geschwistern getan
hat. Aber sie hat mich immer verfolgt. Immer, wenn ich dachte, ich sei
ihr entkommen, hab ich mich umgedreht, und dann hab ich sie als
Spiegelung gesehen oder ihr Bild aus den Augenwinkeln bemerkt. Ich
musste einfach immer weiterlaufen. Ich musste weg von ihr, und von dem,
was sie getan hat!«
    »Und was Sie getan haben«, sagte der
Polizist. »Sie haben sie getötet. Sie haben sie vergiftet.«
    »Sie hatte es verdient. Immer hat sie uns gepiesackt. Und
dann … und dann …« Plötzlich strömten ihr Tränen über
die Wangen, als sie sich wieder an den Garten erinnerte, an die Hitze,
und wie die kleine Kate geschrien und geschrien hatte, als die Klingen
der Gartenschere zusammenklappten und der Daumen abfiel und einen
dicken Blutfaden hinter sich herzog.
    »Und hier sind Sie nun wieder. In Leyston, wo alles anfing. Wo
Madeline geboren wurde.«
    »Man bekommt, was man verdient«, sagte sie gedehnt. »So heißt
es doch, stimmt's? Früher hab ich das nie wirklich begriffen, aber es
ist wahr.«
    »Und Eunice? Die echte Eunice Coleman? Haben Sie die auch
umgebracht? Haben Sie an ihr auch diese bizarre Vergeltung praktiziert,
die Sie während all dieser Jahre an Ihrer Großmutter geübt haben?«
    »Sie ist irgendwo da oben; im Koma, so wie Sie demnächst auch.
Sie hat es geschafft, aus dem Schlafzimmer zu stolpern. Ich nehme an,
sie ist im Badezimmer, oder im Gästezimmer. Wenn ich mit Ihnen fertig
bin, schaue ich nach ihr.«
    Der Polizist richtete sich in seinem Sessel auf. Sein Gesicht
verlor die Schlaffheit, die Ausdruckslosigkeit. »Wir haben Ihr Haus
entdeckt«, sagte er. »Wir nehmen uns gerade Ihren Garten vor. Ich
fürchte, die Damen von Ihrer Teeparty sind alle heimgegangen. Es ist
vorbei, Madeline. Sie sind festgenommen, wegen des Mordes an Daisy
Wilson, Wendy Maltravers, Rhona McIntyre, Violet Chambers, Alice
Connell, Kim Stothard, Deirdre Fincham und sechs weiterer, bisher nicht
identifizierter Frauen, und außerdem wegen des Mordversuchs an Eunice
Coleman.«
    Daisy starrte den Polizisten entgeistert an. »Aber –
der Kaffee? Sie haben ihn doch getrunken!«
    »Ich habe ihn weggegossen«, entgegnete er
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