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Kaiser des Mars

Kaiser des Mars

Titel: Kaiser des Mars
Autoren: Lin Carter
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Habgier und die terrazentrische Verachtung, mit der die Kolonialadministration ein Volk behandelte, dessen Würde und einsamer Stolz alles waren, was ihm von einer großartigen Zivilisation übrig geblieben war, deren Sterben bereits begonnen hatte, als unsere eigenen Ahnen noch durch die Sümpfe des Paläozoikums wanderten – daß all das mich anwiderte, mich erschütterte …
    Natürlich konnte ich dem Angebot des alten Mannes nicht widerstehen. Der Plan war die Einfachheit selbst, und was sein Angebot anging, so war es einfach unwiderstehlich. Denn – wieviele Jahre lag es jetzt eigentlich zurück? Nur zwei – ich hatte die ganze Zeit von nichts anderem geträumt. »Ein Gratisticket zum Mars …« Ich hätte mit Vergnügen jeden Preis bezahlt, hätte ich mir damit wieder Zutritt zu jener düsteren, roten Welt kaufen können, die das Schicksal zur Heimat meines Herzens gemacht hatte. Aber das konnte nie wieder sein. Kein Raumschiff würde mich befördern, niemand würde mir ein Visum ausstellen; ich war wie einer jener alten Seeleute in den fernen Zeiten der Segelschiffe – ausgesetzt wegen der größten Sünde gegen eine Gesellschaft, die ich zu hassen gelernt hatte. Meuterei.
    Der einzige Unterschied lag darin, daß man in meinem Fall die Wüsteninsel mit besonderer Grausamkeit ausgesucht hatte: Ich war ein Verbannter auf dem Planeten meiner Geburt, der Heimat meines Körpers, dem Gefängnis meines Geistes. Und jetzt bot mir die Habgier eines alten Mannes oder seine Ruhmsucht, oder was immer sonst es sein mochte, einen Ausweg. Einen Weg nach Hause.
    Das Ganze kam bei Kaffee und Zigarren und einem lunarischen Likör heraus, den ich noch nie zuvor gekostet hatte. Der Platz vor der alten Kathedrale war ein wenig zu öffentlich; ich begleitete sie also zu ihrem Hotel zu der Zimmerflucht, die Keresny auf eine Woche gemietet hatte. Die Suite lag in einem der Türme des Hotels Canale Grande; dies war das neueste der zahllosen Hotels von Venedig, ein großer, langweiliger Kasten im Kreml-Stil, den die Russen in den achtziger Jahren während ihres kurzen Traumes von der Weltherrschaft erbaut hatten. Damals war es das Verwaltungszentrum dieses Abschnitts von Italien gewesen. Nachdem jener Traum im Feuerhagel des Neunundzwanzig-Minuten-Krieges in Stücke ging, beschlagnahmten es die Italiener, sprengten die Zwiebelkuppeln ab, entfernten die schlimmsten Auswüchse des Zuckerbäckerstils und machten ein erstklassiges Hotel daraus. Heute war es etwas heruntergekommen und erinnerte an bessere Zeiten.
    Ehe wir zu reden begannen, zog das Mädchen Ilsa die schalldichten Vorhänge zu, während der Ukrainer mit dem großporigen Gesicht eine kleine Plastikkassette aus seinem Gepäck holte und einen Schalter daran betätigte. Dabei sah er mich die ganze Zeit mit unfreundlichen Augen an. Ich deutete auf das Kästchen und hob fragend die Brauen.
    »Alles klar, Konstantin?« fragte der Doktor, ehe er meine unausgesprochene Frage beantwortete. Der mürrische Russe knurrte zustimmend.
    »Nur eine Vorsichtsmaßnahme, Bürger Tengren. Ich glaube, die Amerikaner nennen das in ihrer herrlichen Slangsprache ein Antiwanzengerät. Wir haben keinen besonderen Anlaß zu der Vermutung, daß unsere Räume elektronisch überwacht werden. Aber in diesen schwierigen Zeiten kann man nie vorsichtig genug sein. Im übrigen geht das Gerücht, daß heutzutage die meisten Hotels alles auf Band aufzeichnen, das in ihren Räumen geschieht. Ich glaube, einige davon verdienen sich ein hübsches Sümmchen, indem sie die Regierungsspione und die Politpolizei mit Informationen versorgen.«
    »Das ist seit Jahren so Sitte«, grinste ich. »Aber wird es nicht auffallen, wenn dieser Raum nur ein leeres Band liefert?«
    Er lächelte wieder jenes heiligmäßige Lächeln. »Ganz und gar nicht. Fast alle benutzen diese Geräte. Sie sind auf dem grauen Markt leicht zu haben und gar nicht teuer. Spione und Verbrecher und Revolutionäre benutzen sie – aber auch Geschäftsleute, die über wichtige Verträge verhandeln, und alltägliche Leute, die ihre Frauen betrügen. Das Instrument strahlt nur eine Welle aus, die durch alle Radiofrequenzen läuft und so die Tonaufzeichnungen stört. Da die Welle sich dauernd überlappt und die Schwingungen völlig willkürlich sind, ist es technisch unmöglich, die Bänder zu entzerren. Aber wollen wir zur Sache kommen. Kaffee, meine Liebe, glaube ich, sofern Bürger Tengren nicht Brandy vorzieht …?«
    »Für den heutigen Abend habe
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